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März 2023

2023-03-08 11:20

Geldentschädigung für Bordellbetreiber nach Pressekonferenz eines Staatsanwalts

Das Land Berlin muss den Betreibern des Berliner Bordells „Artemis“ insgesamt 100.000,- € als Schmerzensgeld zahlen. Dies entschied das KG Berlin in seinem Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 U 21/21, und fand dabei deutliche Worte zur Pressekonferenz des leitenden Oberstaatsanwalts (LOStA).

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2023-03-01 09:21

Abzocke bei Online-Coachings - Was hat CopeCart damit zu tun?

Online-Coachings werden immer beliebter. Online-Coachings versprechen durch Teilnahme an einem online angebotenen Seminar unter anderem unverhofften Reichtum, unglaubliche Karrieremöglichkeiten oder gar einen vollständigen Lebenswandel hin zu Erfolg, Glück und Reichtum .

„Erlebe dein Potenzial“, „Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Freiheit“, „Zwei Stunden für mehr Erfolg“, „Buy a Ticket, Dream Big, Never Return“, „Dein erfülltes Leben beginnt jetzt“ – Dies sind nur einige der (unrealistischen) Versprechungen, mit denen Teilnehmer für solche Online-Coachings gewonnen werden sollen. Aktuell wird der Markt von einer regelrechten Flut solcher Anbieter überschwemmt: Grigori Kalinski, Lukas Lindner, Die Reich-Methode und Sinnsucher sind nur einige hiervon.

 

Angeboten werden vielversprechend klingende Kurse, wie die „Amazon Kindle Akademie“, diverse „Digital Business“- Coachings oder „Ultimate-“, „Premium-“ und andere tolle „Masterclass“- Kurse. Genauso hoch wie die Versprechungen sind oftmals die Preise für solche Coachings. Preise jenseits der 25.000 € sind keine Seltenheit. Häufig werden zahlungsschwachen Interessenten in einem ersten – natürlich kostenfreien - Online-Coaching direkt die passenden Ratenzahlungsverträge zur Finanzierung der Coachings aufgeschwatzt bzw. mitverkauft.

 

Spannend ist Folgendes: Die Abrechnung dieser Coachings erfolgt häufig nicht über den Coach oder seinen Verlag, sondern über Zahlungsabwickler wie z.B. die CopeCart GmbH. Die Abrechnung erfolgt dabei in der Regel im  Namen eines solchen Drittanbieters wie CopeCart anstatt im Namen der Online-Coaches. Der Drittanbieter stellt also eine Rechnung, ohne dass ein wirksames Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Kunden besteht. Dabei wird nicht klar kommuniziert, wer eigentlich Vertragspartner und somit auch Ansprechpartner bei Problemen oder Rückforderungen ist.

 

Chancen auf Rückzahlungsanspruch

 

In einem von uns durchgekämpften Fall hatte die Mandantin in einem dieser vermeintlich „kostenfreien“ Online-Coachings den Kurs für satte 29.000,- € gebucht. Der „Coach“ fragte die Vertragsdaten ab und gab sie selbst ins Online-Formular ein, sodass unsere Mandantin „nur noch den Bestätigungs-Link klicken“ musste. Die Rechnungsstellung erfolgte dann jedoch durch die CopeCart GmbH und nicht durch den eigentlichen “Coach“. Als die Mandantin bemerkte, dass die Inhalte des Coachings nicht mit den versprochenen Leistungen übereinstimmen und den mit dem Coach abgeschlossenen Vertrag widerrufen wollte, wurde dies von CopeCart mit der Begründung abgelehnt, dass die Mandantin gegenüber CopeCart auf ihr Widerrufsrecht verzichtet hätte.

 

Erfahrungsgemäß weist der CopeCart-Support Widerrufe oder Rückforderungen „seiner“ Kunden außergerichtlich zunächst zurück und verweist mit standardisierten Ablehnungsnachrichten auf die AGB oder eine erteilte Zustimmung zur Vertragsausführung, infolge derer das Widerrufsrecht gemäß § 356 BGB angeblich erloschen sei.

In unserem Fall erfolgte der Vertragsschluss allerdings nicht mit der CopeCart GmbH, sondern mit dem „Coach“, sodass der Verzicht auf das Widerrufsrecht unwirksam war.

 

Klage(n) ohne Urteil

 

In den außergerichtlichen Verhandlungen blieb CopeCart uneinsichtig und wies beharrlich jegliche Rückzahlungsansprüche zurück. Sobald aber die von uns eingereichte Klage an CopeCart zugestellt worden war, ging es dann auf einmal sehr schnell mit der Rückzahlung. Offensichtlich wollte es CopeCart es nicht zu einem Urteil kommen lassen.

 

In etlichen vergleichbaren Fällen hat CopeCart vor Gericht die Rückforderungen oder die Feststellung, dass kein wirksamer Vertrag besteht, anerkannt, ohne dass es zu einem Verhandlungstermin kam. Dadurch will CopeCart anscheinend eine gerichtliche Bewertung ihres Geschäftsmodells verhindern.

 

Wir konnten so erreichen, dass unserer Mandantin der volle Preis für das Online-Coaching in Höhe von 29.000,- € direkt von CopeCart zurückerstattet wurde.

 

Unwirksame Verträge

 

Manchmal sind die online abgeschlossenen Coaching-Verträge aber auch aus anderen Gründen unwirksam, z.B. wenn Versprechungen gemacht werden, die nicht eingehalten werden oder wenn lediglich Inhalte bereit gestellt werden, aber ein persönliches Coaching versprochen wurde (z.B. „1:1- Calls“, „individuelle Betreuung“, „Live-Coachings“). In anderen Fällen, z.B. bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung („Wucher“) oder wenn der Coach eine bestehende Schwächesituation des Kunden beim Vertragsschluss ausnutzt und ihm einen Vertrag aufschwatzt, der den Kunden wirtschaftlich überfordert („Ratenzahlungs-Verträge“), sind die Verträge sittenwidrig, wie das Landgericht Stade mit Urteil vom 18. August 2022, Az.: 3 O 5/22, entschieden hat.

 

Individuelle Prüfung lohnt sich

 

Da jeder Fall anders ist, muss individuell geprüft werden, ob Kunden von Online-Coachings Widerrufs- oder Rückzahlungsansprüche zustehen. In dem meisten Fällen sind die Chancen aber sehr gut, wenigstens bestehende Coachingverträge oder etwaige Ratenzahlungsverpflichtungen zu widerrufen oder sogar geleistete Zahlungen zurückzubekommen. Wir kennen uns aus und sagen Ihnen, was zu tun ist..

 

Wer noch mehr dazu wissen will, kann sich auch den Bericht von Jan Böhmermann im Neo Magazin Royale zu CopeCart ansehen.

 

© Stefan Müller-Römer, Joshua Müller, Philipp Selbach, Februar 2023

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