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April 2016

2016-04-14 12:15

Filmen von Polizisten – erlaubt oder verboten?

Mit Beschluss vom 24.07.2015 (Az.: 1 BvR 2501/13)  hat das BVerfG entschieden, dass das Filmen von Polizisten bei einer Versammlung die Polizei nicht ohne weiteres dazu berechtigt, die Identität des Filmenden festzustellen.

Der Beschwerdeführer befand sich im Januar 2011 auf einer angemeldeten Versammlung, bei der die Polizei Ton- und Bildaufnahmen der Versammlungsteilnehmer anfertigte. Seine Begleiterin erweckte den Eindruck, als filme sie ihrerseits die Polizisten. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer von der Polizei aufgefordert, sich auszuweisen. Dies tat er auch, allerdings erhob er später gegen diese polizeiliche Maßnahme Klage vor dem Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht, die ohne Erfolg blieb.

Die Richter des BVerfG sahen in der Identitätsfeststellung einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Beschwerdeführers nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und hoben die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte auf.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen.

Als Begründung für die Aufhebung der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte  führte das BVerfG an, dass die Identitätsfeststellung zwar grundsätzlich einen geringen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Beschwerdeführers darstelle, da sie weder heimlich noch anlasslos erfolgte sowie die Persönlichkeitsrelevanz der im Zusammenhang mit der Identitätsfeststellung erhobenen Informationen von vornherein begrenzt sei. Nichtsdestotrotz müsse die Identitätsfeststellung im Einzelfall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.

Voraussetzung für ein präventives Vorgehen der Polizei gegen Ton- und Bildaufnahmen ist das Vorliegen einer konkreten Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut. Ob eine solche Gefahr vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

Aus Sicht der Polizei lag eine solche konkrete Gefahr vor, da sie davon ausgingen, dass die Filmaufnahmen der Freundin des Beschwerdeführers zum Zwecke der späteren Verbreitung angefertigt wurden und daher eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild nach § 33 Abs. 1 KUrhG zu befürchten gewesen sei.

Dieser Ansicht folgten die Verwaltungsgerichte und begründeten dies damit, dass ein anderer Grund für das Filmen für die Polizeibeamten nicht ersichtlich gewesen sei.

Dieser Rechtsauffassung widersprach das BVerfG deutlich und führte als Begründung an, dass die Verwaltungsgerichte in ihren Entscheidungen verkennen würden, dass der Anlass für die Aufnahmen darin lag, dass die Polizeibeamten selbst Ton- und Bildaufnahmen von den Versammlungsteilnehmern anfertigten. Liege eine solche Situation vor, könne nicht ohne nähere Begründung von einer konkreten Gefahr für das polizeiliche Schutzgut ausgegangen werden.

Vielmehr müsse geprüft werden, ob tatsächlich eine von § 33 Abs. 1 KUrhG sanktionierte Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung der Aufnahmen zu erwarten sei oder ob es sich bei den Aufnahmen lediglich um eine Reaktion auf die von den Polizeibeamten angefertigten Aufnahmen, etwa zur Beweissicherung für mögliche Rechtsstreitigkeiten, handelt.

Die Entscheidung des BVerfG ist in Zeiten massiv zunehmender Überwachung und zu häufig rechtswidrig handelnder Polizeibeamten wichtig. Sie schlägt einen Pflock für rechtsstaatskonformes Verhalten ein.

Auch sollte sie jedermann veranlassen, nicht alle Maßnahmen der Polizei einfach hinzunehmen, erst Recht nicht, bevor die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme nicht näher begründet wird.

Bilder von Polizeibeamten bei der Arbeit dürfen - vor allem zu Beweiszwecken - jederzeit angefertigt werden. Die immer wieder von Beamten zu hörende Aussage „Sie dürfen mich nicht filmen“ ist schlicht falsch.

Die Polizei nimmt eine sensible und wichtige Aufgabe in unserem Staat wahr und darf deswegen von Amts wegen sogar Gewalt anwenden. Selbstverständlich unterliegt deswegen gerade die Polizei einer besonders strengen Rechtsstaatskontrolle, was dazu führt, dass gerade die Beamten bei der Arbeit auch gefilmt werden dürfen. Polizeibeamten müssen sich bei ihrer Dienstausübung immer (!) vorbildlich und rechtskonform verhalten. Ist dies nicht der Fall, ist es sogar wünschenswert, dass Bürger dies bildlich festhalten, um die „schwarzen Schafe“, von denen es leider zu viele gibt, zur Verantwortung ziehen zu können.

Im Regelfall sollten auch Aufnahmen von Polizeibeamten, wenn sie denn ins Netz gestellt werden, so verpixelt werden, dass die Beamten nicht zu erkennen sind, weil auch Polizeibeamten grundsätzlich ein Recht am eigenen Bild haben. Allerdings ist dieses Recht im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit eingeschränkt, weil sie eben als Polizeibeamte wegen ihrer Aufgabe automatisch in der Öffentlichkeit stehen. Bei z.B. gewalttätigen Übergriffen auf Demonstranten würde eine verständige Interessenabwägung dazu führen müssen, dass solche Bilder auch unverpixelt veröffentlicht werden dürfen, um die Ermittlung der Täter zu ermöglichen.

© Stefan Müller-Römer, Alexander Fallenstein, April 2016, alle Rechte vorbehalten

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2016-04-14 12:15

Keine Urheberrechtsverletzung durch Setzen eines Hyperlinks

Es ist eine der meistgestellten Fragen in Bezug auf Haftung für fremden Inhalt im Internet: 

Bin ich verantwortlich, wenn ich auf eine Seite verlinke und auf dieser Seite rechtsverletzender Inhalt bereitgehalten wird? 

Der Generalanwalt beim EUGH beantwortete in seinen Schlussanträgen vom 07.04.2016 in dem Vorabentscheidungsverfahren GS Media ./. Sanoma (Az.: C-160/15) diese Frage nun in Bezug auf Urheberrecht mit einer klaren Antwort: Grundsätzlich nicht! 

So soll derjenige, der auf eine Website verlinkt, auf der urheberrechtswidrig geschützte Werke - in diesem Fall Fotos - veröffentlicht worden sind, die dort für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich sind, keine Urheberrechtsverletzung begehen.

Auf die Beweggründe des Linksetzers und darauf, dass er wusste oder hätte wissen müssen, dass die Wiedergabe auf anderen Websites ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers erfolgt ist, kommt es nach Auffassung des Generalanwalts nicht an. 

In dem betreffenden Fall hatte die Playboy-Herausgeberin Sanoma Media Netherlands („Sanoma“) eine Fotoreportage über die Fernsehmoderatorin Britt Dekker in Auftrag gegeben und war somit Rechteinhaberin der Fotos. Die Beklagte GS Media setzte über ihre Website „GeenStijl“ einen Link zu einer australischen Website, auf der die Fotos von Britt Dekker ohne Zustimmung von Sanoma veröffentlicht wurden.

GS Media wurde aufgefordert den Hyperlink zu entfernen, widersetzte sich aber. In der Folge konnte Sanoma zwar immer wieder erwirken, dass Links auf den Ursprungsseiten gelöscht wurden – so auch auf der australischen Website –, jedoch entwickelte sich ein Katz-und-Maus-Spiel, da auf der Seite „Geenstijl“ – zum Teil auch von Nutzern im Forum – immer wieder neue Links zu anderen Websites mit den Fotos auftauchten.

Daher wollte Sanoma nun direkt gegen GS Media aufgrund der Verlinkungen vorgehen.

Das Vorlagegericht, der niederländische Kassationshof („Hoge Raad der Nederlanden“) rief den EuGH an und wollte wissen, ob das Setzen eines solchen Hyperlinks einen Akt der öffentlichen Wiedergabe im Sinne der europäischen Richtlinie 2001/29/EG (INFOSOC) darstellt. Der Kassationshof wies dabei darauf hin, dass die Fotos vor der Verlinkung durch GS Media zwar auch, aber nicht so leicht zu finden gewesen seien, so dass das Auffinden durch das Setzen des Hyperlinks enorm vereinfacht worden sei.

Nun vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass durch die entsprechenden Hyperlinks die geschützten Werke, sofern sie bereits auf einer anderen Website frei zugänglich seien, nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Mit den Hyperlinks werde lediglich die Entdeckung der geschützten Werke erleichtert. Die eigentliche Zugänglichmachung sei durch die ursprüngliche Wiedergabe erfolgt. Hyperlinks auf einer Website, die zu geschützten Werken auf einer frei zugänglichen anderen Website führen, könnten daher nicht als Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne der europäischen Richtlinie 2001/29/EG eingestuft werden. Auf die Beweggründe von GS Media und darauf, dass sie wusste oder hätte wissen müssen, dass die Fotos auf den anderen Websites ursprünglich ohne die Zustimmung von Sanoma veröffentlicht und auch nicht vorher mit Zustimmung von Sanoma für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden seien, komme es insoweit nicht an.

Einzige Einschränkung in Bezug auf das Vorgesagte soll sein, dass die Fotos auf den Drittwebsites für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich waren.

Der Generalanwalt argumentierte zudem auch mit dem Sinn und Zweck der Richtlinie und den möglichen Folgen im Falle einer Verantwortlichkeit für fremde Seiten durch Linksetzung. Er stellte fest, dass jede andere Auslegung des Begriffs „Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit“ das Funktionieren des Internets erheblich beeinträchtigen und die Förderung der Entwicklung der Informationsgesellschaft in Europa als Hauptziel der INFOSOC-Richtlinie (2001/29/EG) gefährden würde. Auch wenn die Umstände im vorliegenden Fall besonders offenkundig seien, würden die Internetnutzer normalerweise nicht wissen, ob ein im Internet frei zugängliches Werk ursprünglich mit oder ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, und dies auch nicht herausfinden können.

Wenn sich jedoch jeder Internetnutzer, der einen Hyperlink auf eine x-beliebige frei abrufbare Website setze, einer Haftungsgefahr ausgesetzt sähe, im Falle, dass es dort zu Urheberrechtsverletzungen käme, wäre zu erwarten, dass das etablierte Verlinkungsprinzip kaum noch in dieser Form bestehen bliebe. Dies wäre dem gewünschten Funktionieren des Internets und letztlich der Entwicklung der Informationsgesellschaft abträglich.

Haben Sie Fragen? Wir beraten Sie gerne!

© Knut Schreiber, Stefan Müller-Römer, April 2016, Alle Rechte vorbehalten

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