Geldentschädigung für Bordellbetreiber nach Pressekonferenz eines Staatsanwalts
Das Land Berlin muss den Betreibern des Berliner Bordells „Artemis“ insgesamt 100.000,- € als Schmerzensgeld zahlen. Dies entschied das KG Berlin in seinem Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 U 21/21, und fand dabei deutliche Worte zur Pressekonferenz des leitenden Oberstaatsanwalts (LOStA).
Hintergrund des Verfahrens war eine Großrazzia, die die Staatsanwaltschaft gegen das Bordell „Artemis“ anordnete. Es beantragte beim LG Berlin die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die beiden Betreiber des Bordells. Das LG lehnte allerdings die Einleitung des Hauptverfahrens ab – es habe kein hinreichender Tatverdacht bestanden, der nun mal nach § 170 I StPO Voraussetzung für die Eröffnung des Hauptverfahrens ist.
Problematisch an der Sache: Zuvor hatte der LOStA bereits eine Pressekonferenz zu der noch im Ermittlungsverfahren befindlichen Sache gegeben. Dabei wurde das Bordell als gewalttätiges Umfeld bezeichnet, gezielt Bezüge zu organisierter Kriminalität hergestellt, sowie behauptet, dass sich alle Tätigkeiten nur in einem vermeintlich legalem Umfeld abspielen würden. Zudem verglich der LOStA die Betreiber des Bordells mit dem bekannten Gangster-Boss Al Capone.
Diese Aussagen eines Staatsanwalts während eines noch laufenden Ermittlungsverfahrens seien, so das KG Berlin, teilweise unpräzise, teils objektiv falsch und teils ungerechtfertigterweise vorverurteilend gewesen. Der LOStA habe dabei bewusst reißerische Formulierungen verwendet. Die Aussagen haben gegen die Presserichtlinien für die Berliner Justiz, sowie gegen die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV), aber auch gegen die grundrechtlich gesicherte Unschuldsvermutung verstoßen.
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, bei dem lediglich ein Anfangsverdacht vorliegt und daher noch keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, sei Zurückhaltung geboten und seien keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen. Insbesondere eine unnötige Bloßstellung sei wegen eines Verstoßes gegen Nr. 23 RiStBV unzulässig. Je schwerer die Vorwürfe desto mehr Zurückhaltung sei geboten. Daher sei im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Presse sowie der Öffentlichkeit und dem Interesse des Ehrschutzes des Betroffenen abzuwägen, die in diesem Fall eindeutig zugunsten der Betroffenen ausging.
Das Land Berlin haftet den Betroffenen daher aus Amtshaftungsgrundsätzen, § 839 BGB iVm Art. 34 S. 1 GG.
Denn durch die schuldhaften Amtspflichtverletzungen wurde das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger verletzt, und zwar in seinen durch Artikel 2 Absatz 1, Artikel 1 Abs. 1 GG, Artikel 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Interessen der Kläger auf Schutz ihrer Persönlichkeit und ihres guten Rufs (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 Rn. 23).
Der Einwand der Staatsanwaltschaft, dass die Bordellbetreiber als "vorbestrafte Bordellbesitzer mit Beziehungen in das Rockermilieu" gar keinen Reputationsverlust erleiden könnten, überzeugte das Gericht dagegen nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Eine solche Situation habe hier vorgelegen, so das KG Berlin. Insgesamt hielt das Gericht unter Berücksichtigung der Schwere der Persönlichkeitsverletzung einen Betrag von insgesamt 100.000 € für angemessen, aber auch ausreichend.
Dabei hat das Land Berlin im Übrigen auch die Möglichkeit einer kostengünstigeren Lösung des Rechtsstreits verpasst: Das Gericht hatte einen Vergleich vorgeschlagen, der vorsehen sollte, dass das Land Berlin lediglich 25.000 € zu zahlen hätte. Die beiden Betreiber des Bordells hatten angeboten, eine vergleichsweise Zahlung von 25.000,- € des Landes Berlin nicht einzubehalten, sondern an eine gemeinnützige Organisation zum Schutz von Prostituierten oder der Unterstützung krebskranker Kinder weiterzuleiten.
Das Land lehnte dies allerdings ab. Es vertritt bis heute die Auffassung, dass das Urteil des KG Berlin unzutreffend sei. Es zieht sich zudem darauf zurück, dass ein solcher Vergleich schon aus Haushaltsgrundsätzen nicht in Betracht gekommen sei, was Unfug ist.
© Stefan Müller-Römer, Joshua Müller, März 2023