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Wann heimliche Aufnahmen strafbar sind

OLG Hamm zur Anwendung von § 201 a StGB

In einem aktuellen Beschluss hat das OLG Hamm (4 ORs 24/25) klargestellt, dass heimliche Bildaufnahmen in einer Wohnung nicht automatisch eine Strafbarkeit nach § 201 a Abs. 1 Nr. 1 StGB begründen. Dabei ging es um Videoaufnahmen, die der Angeklagte im Zimmer des Zeugen angefertigt hatte. 

Das Gericht stellte zunächst klar, dass der Wohnungsbegriff nicht nur dauerhaft, bewohnte oder gemeldete Räume erfasse, sondern jeden privaten Rückzugsort, der einer Person zu alleinigen Nutzung überlassen ist – auch Gästezimmer, Hotelzimmer oder temporär genutzte Unterkünfte. Maßgeblich sei nicht das Eigentum oder Hausrecht, sondern die tatsächliche Nutzung als geschützter Lebensbereich. Daher sei auch das vom Zeugen nur selten genutzte Zimmer vom Schutzbereich erfasst.

Auch die Tatsache, dass der Zeuge auf den Bildern nur teilweise – etwa durch erkennbare Körperteile – abgebildet sei, stehe einer Strafbarkeit grundsätzlich nicht entgegen, sofern eine Identifizierbarkeit gegeben sei. Diese müsse nicht für Außenstehende offensichtlich sein. Es reiche aus, wenn die abgebildete Person selbst sich anhand der Umstände – etwa Raum, Zeitstempel oder Körpermerkmale – wiedererkenne oder eindeutig zu geordnet werden könne.

Das ist übrigens ein entscheidender Unterschied zum Schutz des Rechtes am eigenen Bild. Das Recht am eigenen Bild soll vor der Verbreitung bzw. Zurschaustellung von Aufnahmen ohne Erlaubnis des Abgebildeten schützen. Daher ist für eine Verletzung erforderlich, dass der Abgebildete auch für Dritte erkennbar abgebildet ist.

Der Schutzbereich von § 201 a StGB umfasst den höchstpersönlichen Lebensbereich. Folglich genügt hier für eine Verletzung schon die Herstellung der Aufnahme. Auf die Verbreitung und auf die Erkennbarkeit der abgebildeten Person durch Dritte kommt es nicht an.

Trotzdem verneinte das OLG im konkreten Fall eine Strafbarkeit. Zwar lägen heimliche Aufnahmen aus einem geschützten Raum vor, die betroffene Person sei auch identifizierbar – doch fehle es an einer tatsächlichen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs. Der Zeuge sei lediglich beim Lesen und Bodenwischen zu sehen.

Der Strafrechtsschutz setze nicht alleine an der Herstellung solcher Aufnahmen im geschützten Raum an. Vielmehr sei für eine Strafbarkeit zusätzlich erforderlich, dass der höchstpersönliche Lebensbereich der betroffenen Person durch die Aufnahme tatsächlich verletzt werde. Damit handele es sich bei § 201 a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, sondern um ein Erfolgsdelikt – die bloße Handlung genüge nicht, es müsse ein konkreter Eingriff in die Intimsphäre erfolgen.

Der Gesetzgeber schütze hier besonders sensible Bereiche wie die Intimsphäre, Krankheit oder familiäre Verhältnisse. Alltägliche Handlungen wie Lesen, Kochen oder Bodenwischen – auch in der Wohnung – stellen für sich genommen keine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs dar, solange keine weiteren Umstände hinzutreten, die etwa intime oder besonders schützenswerte Lebensbereiche betreffen. Entscheidend sei, ob die gefilmten Handlungen über das bloß Alltägliche hinausgehen und tatsächlich intime Einblicke gewähren, die eine Strafbarkeit nach § 201 a StGB rechtfertigen können.

© Juni 2025, Svea Klinger, Stefan Müller-Römer

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