+49 (0) 221 - 290270-40
info@medienrechtsanwaelte.de

Verrichten Kinder-Influencer Kinderarbeit?

Ob auf Instagram, YouTube oder TikTok – Menschen, die als sogenannte Influencer ihr Geld verdienen, sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Mittlerweile gesellen sich auch immer mehr Kinder dazu, die als Influencer in den sozialen Medien unterwegs sind. 

Neben Kinderkanälen werden auch immer mehr Familienkanäle betrieben, auf denen Eltern bewusst ihren Alltag und den ihrer Kinder zeigen und damit zum Teil viel Geld verdienen.  Dabei greifen Eltern wiederholt in die Privat- und Intimsphäre ihrer Kinder ein.

Es werden Bilder und Storys aus dem Kinderzimmer gepostet, aus der Badewanne oder im Badeanzug. Und das geschieht, obwohl Eltern ihre Kinder und deren Rechte schützen sollten. 

Daneben ist solchen Eltern offenbar auch nicht bewusst, dass wenn der Kanal nicht mehr nur als Hobby betrieben wird, sondern wirtschaftliche Zwecke verfolgt bzw. Einnahmen generiert werden und die Kinder daran beteiligt sind, Kinderarbeit betrieben wird. Und für Kinderarbeit gibt es klare gesetzliche Regelungen, die es zu beachten gilt.  

Gemäß § 5 Abs. 1 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) dürfen Kinder unter 15 Jahren grundsätzlich keiner Beschäftigung nachgehen. Allerdings bestätigen Ausnahmen wie immer die Regel.  

6 JArbSchG regelt, dass Kinder unter bestimmten Voraussetzungen vor der Kamera arbeiten dürfen. 

Kinder zwischen drei und sechs Jahren dürfen bis zu zwei Stunden täglich von 8 bis 17 Uhr vor der Kamera mitwirken.

Kinder über sechs Jahre bis zu drei Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 22 Uhr, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde dies zuvor bewilligt hat. 

Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens muss das Jugendamt angehört werden und die Aufsichtsbehörde darf die Beschäftigung nur bewilligen, wenn auch die nachfolgend aufgezählten Voraussetzungen erfüllt sind: 

  • Es muss eine Einwilligung der Sorgeberechtigten des Kindes in die Beschäftigung vorliegen.
  • Eine nicht älter als drei Monate alte ärztliche Bescheinigung muss vorliegen, in der bestätigt wird, dass das Kind gesundheitlich in der Lage ist, der Beschäftigung nachzugehen.
  • Nach der Arbeit muss das Kind mindestens 14 Stunden Freizeit haben.
  • Die schulischen Leistungen des Kindes dürfen nicht beeinträchtigt werden.
  • Die Betreuung des Kindes bei der Arbeit muss sichergestellt sein. 

Mit Empfang des Bewilligungsbescheids beim Arbeitgeber (hier die Eltern) darf das Kind dann der Beschäftigung nachgehen.   

Problematisch ist jedoch, dass § 6 JArbSchG zwar die Voraussetzungen regelt, unter denen Kinder als Influencer vor der Kamera stehen können, deren Eltern sich jedoch gar keine Ausnahmebewilligungen von der Aufsichtsbehörde einholen und die Aufsichtsbehörden Kinder- und Familienkanäle kaum bis gar nicht kontrollieren. 

Darüber hinaus hat der deutsche Gesetzgeber den Ausnahmetatbestand in § 6 JArbSchG zur Kinderarbeit nur für über dreijährige Kinder geschaffen, da er offenbar davon ausgegangen ist, dass Babys unter drei Jahren nicht arbeiten würden. Dies trifft gerade in den sozialen Medien jedoch nicht mehr zu, weshalb es hier eine Regelungslücke gibt. 

Die Aufsichtsbehörden haben allerdings auch nur wenig Handhabe, wenn Kinder von ihren Eltern zu Hause gefilmt und vermarktet werden und somit nicht nachvollzogen werden kann, wie viele Stunden diese wirklich arbeiten müssen.  

Dennoch sollten Aufsichtsbehörden unserer Ansicht nach wenigstens kontrollieren, ob bei Kinder- und Familienkanälen, bei denen eindeutig ist, dass diese gewerblich betrieben werden und also Kinderarbeit betrieben wird, überhaupt Ausnahmebewilligungen zur Kinderarbeit vorliegen. 

Eltern jedenfalls befinden sich als Betreiber der Kinder- oder Familienkanäle in einem Interessenkonflikt, weil sie zum einen die wirtschaftlichen Interessen im Fokus haben und zum anderen das Kindeswohl sowie deren Persönlichkeitsrechte schützen sollten. Hier verschwimmen Grenzen, weshalb es an den Aufsichtsbehörden und am Gesetzgeber liegt, Kinder-Influencer besser zu schützen.    

Frankreich beispielsweise hat im Jahr 2020 ein neues Gesetz erlassen, welches Kinder-Influencer besser schützen soll und 2021 in Kraft getreten ist.  

Das Gesetz regelt unter anderem, dass Einnahmen, welche Kinder-Influencer, die jünger als 16 Jahre sind, generieren, auf ein spezielles Konto eingezahlt werden müssen, auf das das Kind erst zugreifen kann, wenn es 16 Jahre alt ist.

So soll verhindert werden, dass der Unterhalt der gesamten Familie nur durch die Social-Media-Einnahmen des Kindes bestritten wird.

Zudem benötigen Unternehmen, die Dienste von Kinder-Influencern unter 16 Jahren beanspruchen wollen, eine Einwilligung der örtlichen Behörden.  

Ferner wurde auch das Recht auf Vergessenwerden verankert, was bedeutet, dass Kinderinhalte auf Wunsch des Kindes von den Social-Media-Plattformen entfernt werden müssen. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, um Kinder-Influencer zu schützen. 

Eltern müssen dringend ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie Millionen Menschen Einblicke in die Privat- und Intimsphäre ihrer Kinder geben, was ihren Kindern meistens nicht bewusst ist. Sie können die Tragweite der Veröffentlichung ihrer Fotos und Videos im Internet noch gar nicht erfassen. Denn bislang vergisst das Internet nichts.

Da viele Eltern dieses Bewusstsein nicht entwickeln werden, muss der Gesetzgeber hier vorbeugend tätig werden. 

© Dezember 2021, Nadine Krischick, Stefan Müller-Römer, Alle Rechte vorbehalten

Zurück


© 2022 Müller-Römer Rechtsanwälte