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Veröffentlichung von Chats, Briefen, Sprachnachrichten und Telefonaten auf Social Media

Wir erleben es immer wieder in Auseinandersetzungen auf Social Media Plattformen, wie TikTok, Twitch, YouTube, Instagram oder Twitter, dass Streamer/Creator:innen Screenshots von Briefen, Chatverläufen oder Sprachnachrichten und sogar heimlich aufgezeichnete Telefongespräche als „Beweise“ für irgendwelche Aussagen des jeweiligen Gegners präsentieren. Nicht selten enthalten diese „Beweise“ auch noch personenbezogene Daten. Ist das überhaupt erlaubt? Die klare Antwort lautet: NEIN!

Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt private Kommunikation

Auch wenn es nicht um personenbezogene Daten geht, verletzt die Veröffentlichung privater Kommunikation das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und hat Unterlassungs- und gegebenenfalls auch Schadensersatzansprüche zur Folge.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nämlich die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation mit anderen durch die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.10.2002, Az.: 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98 m.w.N.).

Trotzdem ist es sehr weit verbreitet, in Livestreams oder Videos Screenshots von privaten Chats oder E-Mails in die Kamera zu halten, oder Sprachnachrichten laut abzuspielen. Zum Teil aus Unwissenheit, zum Teil aber auch gezielt und mit Kalkül.

Inhalt von privater Kommunikation geschützt

Manche Streamer halten sich für besonders schlau und lesen die Inhalte der Kommunikation einfach vor, weil sie glauben, wenn man die Nachrichten nicht „zeigt“, wäre das schon in Ordnung. Allerdings schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch den Inhalt der Kommunikation und das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt seiner privaten Nachrichten nicht ohne seine Zustimmung an die Öffentlichkeit gelangt (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.2014, Az.: VI ZR 490/12 ; OLG Köln, Urteil v. 03.02.2015, Az.: 15 U 133/14). Durch eine wörtliche Wiedergabe von Schriftsätzen oder privater Chatinhalte sind daher ebenfalls die Vertraulichkeitssphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen (vgl. LG Köln, Beschluss vom 01.02.21, Az.: 28 O 77/21).

Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes strafbar

Auch das heimliche Aufzeichnen von Telefongesprächen verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und stellt sogar eine Straftat dar, wenn dabei das nichtöffentlich gesprochene Wort ohne Einwilligung aufgezeichnet wird (§ 201 StGB).

Dabei spielt es auch keine Rolle, wenn nicht unmittelbar das Telefonat aufgezeichnet wird, sondern nur eine Übertragung des Telefonats.

In einem von uns vertretenen Fall hatte eine Streamerin einen Anruf von unserer Mandantin erhalten, als sie gerade im Livestream online war. Diesen Anruf hatte die Streamerin dann auf Lautsprecher geschaltet, damit ihre Follower zuhören können. Eine der Followerinnen hat diesen Stream dann aufgezeichnet und die Aufzeichnung selbst veröffentlicht, um unsere Mandantin mit dem Inhalt des Telefonates öffentlich bloßzustellen.

Nachdem die 4. Kammer des LG Essen (in der Besetzung Vorsitzender Richter Koß, Richterin Ritschel, Richter Seckler) in der ersten Instanz noch die ziemlich realitätsfremde Auffassung vertreten hatte, dass in diesem Fall eine sog. „faktische Öffentlichkeit“ aufgrund des Livestreams geherrscht habe und die Anruferin damit rechnen musste, dass ihr Telefonat auf laut geschaltet würde (allerdings ohne dass es dafür irgendwelche Anhaltspunkte gab), hat das OLG Köln diese Fehlentscheidung korrigiert und die begehrte einstweilige Verfügung dann doch erlassen.

Das OLG Köln hat festgestellt, dass die Antragsgegnerin in das Selbstbestimmungsrecht unserer Mandantin, allein zu entscheiden, „ob ihr Wort auf einen Tonträger aufgenommen und damit möglicherweise Dritten zugänglich werden soll, womit Wort und Stimme vom Kommunikationsteilnehmer losgelöst und in einer für Dritte verfügbaren Gestalt verselbstständigt werden“, rechtswidrig eingegriffen hat, als sie die Stimme der Antragstellerin im Telefonat durch Speicherung des Livestreams aufgenommen und danach in ihrem eigenen Livestream Dritten zugänglich gemacht hat. Maßgeblich für die Nichtöffentlichkeit des gesprochenen Wortes seien der Wille des Sprechenden, als auch der Zweck und die Eigenart des Gesprochenen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 05.08.2025, Az.: 15 W 63/25).

Das OLG Köln hat zutreffend festgestellt, dass unsere Mandantin zum Zeitpunkt des Anrufes nicht habe wissen können, dass sich die angerufene Person gerade in einem Livestream befinde.

Auch der Einwand der Antragsgegnerin, dass es auf der Plattform TikTok „üblich“ sei, dass Anrufe häufig aufgezeichnet oder auf andere Art öffentlich gemacht werden und unsere Mandantin dies wusste, weil sie im Laufe des Gesprächs gemerkt habe, dass sie gerade „im Live“ sei, überzeugte das Gericht - zu Recht – nicht. Denn selbst wenn der Betroffene im Laufe des Gespräches mitbekommt, dass das Telefonat gerade in einem Livestream für alle Zuschauer hörbar ist, begründe dies nicht das nötige Einverständnis, die vor diesem Zeitpunkt liegenden Äußerungen öffentlich zu übertragen oder aufzunehmen (vgl. OLG Köln a.a.O.).

Unterlassungsanspruch insbesondere bei der Veröffentlichung personenbezogener Daten

Ein weiteres verbreitetes „Phänomen“ ist es, auf Social-Media Klarnamen, Adressen und Telefonnummern von Personen zu veröffentlichen, meist mit dem Ziel, dass die Betroffenen von den Followern oder Internet-Trollen über diese Kanäle kontaktiert und belästigt werden.

Als „Doxing“ bezeichnet man das Zusammentragen und Verbreiten von z.T. öffentlich zugänglichen privaten Daten einer Person, mit dem Ziel, diese dadurch zu belästigen. Dieses „digitale Stalken“ ist mittlerweile auch gemäß § 126a StGB strafbar und wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

„Verbreiten“ personenbezogener Daten auch ohne Schädigungsabsicht rechtswidrig

Aber auch das gut gemeinte „Verbreiten“ personenbezogener Daten ohne eine Schädigungsabsicht stellt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wenn keine entsprechende Einwilligung des Betroffenen vorliegt.

In einem anderen von uns vertretenen Fall hatte eine Reitschule die Daten unserer Mandantin ohne deren Einwilligung in einer Verkaufsanzeige am schwarzen Brett öffentlich gemacht. Die Anzeige enthielt den Namen und die private Handynummer unserer Mandantin, sodass diese auf einmal von anderen Reitschülern auf ihrer privaten Handynummer kontaktiert wurde.

Das AG Köln hat in seinem Verfügungsbeschluss ausdrücklich klargestellt, dass die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten ohne Einwilligung des Betroffenen einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt, selbst wenn damit keine Schädigungsabsicht verbunden ist (vgl. AG Köln, Beschluss v. 28.08.2025, Az.: 144 C 382/25).

Die Veröffentlichung privater Kommunikation muss sich niemand gefallen lassen!

Wir haben in zahlreichen Fällen per einstweiliger Verfügung die Veröffentlichung privater Chatnachrichten, Sprachnachrichten und auch heimlich aufgezeichneter Telefongespräche verbieten lassen und dadurch das Persönlichkeitsrecht unserer Mandanten erfolgreich verteidigen können.

Sind Sie auch von der Veröffentlichung privater Kommunikation oder personenbezogener Daten betroffen, stehen wir Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.

© September 2025, Philipp Selbach, Stefan Müller-Römer

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