Urheber-Nachvergütung bei auffälligem Missverhältnis zwischen Vergütung und Erfolg eines Filmes.
Bei einem unerwartet großen wirtschaftlichen Erfolg einer Filmproduktion können die anfänglich vereinbarten Pauschalvergütungen der Mitwirkenden am Ende in einem auffälligen Missverhältnis zu den erzielten Einnahmen stehen.
Deswegen hat jetzt das OLG Stuttgart dem Chef-Kameramann des Filmklassikers „Das Boot“ Jost Vacano eine nachträgliche Umsatzbeteiligung von rund 315.000 Euro nebst Umsatzsteuer für die Nutzung der Filmproduktion „Das Boot“ in den Gemeinschaftsprogrammen von 8 ARD-Rundfunkanstalten zugesprochen. (OLG Stuttgart, Urt. v. 26.09.2018, Az. 4 U 2/18)
Urheber eines Werkes haben gemäß § 32 a UrhG einen Anspruch auf eine angemessene Beteiligung als „Fairnessausgleich“ wenn die Vergütung für die Übertragung von Nutzungsrechten in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht. Dieser sogenannte "Fairness-Paragraph" wurde 2002 ins UrhG eingefügt und sollte die Rechte von Urhebern stärken, deren Honorare im Verhältnis oft absurd gering erscheinen, wenn sich Werke im Nachhinein als großer Erfolg herausstellen und dies bei Vertragsunterschrift noch nicht absehbar war.
Der Film „Das Boot“, bei dessen Produktion Vacano in den Jahren 1980/1981 als Chefkameramann mitgewirkt hat und dafür eine Vergütung von umgerechnet ca. 100.000 Euro erhalten hat, wurde zu einem der erfolgreichsten deutschen Kinofilme aller Zeiten. Der Film erhielt sechs Oscarnominierungen - unter anderem für die beste Kamera -, einen Golden Globe und einen BAFTA-Award. Zudem gewann er zahlreiche deutsche Filmpreise und spielte nach Schätzungen bislang über 100 Millionen Dollar weltweit ein.
Das Landgericht Stuttgart hatte Vacano in erster Instanz eine Nachvergütung in Höhe von 77.000 Euro zugesprochen wogegen sowohl Vacano als auch die Rundfunkanstalten in Berufung gingen.
Das Landgericht hatte die Vorteile und Erträge der Sendeanstalten an den Lizenzkosten bemessen. Dies hat das OLG Stuttgart jedoch für nicht sachgerecht angesehen. Das Berufungsgericht orientiert sich bei der Bemessung der Vorteile der Rundfunkanstalten durch die Ausstrahlungen vielmehr an tariflichen Wiederholungsvergütungssätzen, wie sie die Tarifverträge der drei größten ARD-Anstalten für die Ausstrahlung von Wiederholungssendungen vorsehen. Dafür spreche u.a., dass es im Filmlizenzgeschäft keine allgemeingültigen Preise gäbe und derselbe Film einmal günstig und ein andermal viel teurer eingekauft werden könne.
Bereits im Dezember 2017 hat das OLG München Vacano gegen die Produktionsfirma Bavaria Film, deren Tochter Euro-Video GmbH sowie den Westdeutsche Rundfunk (WDR) rund 588.000 Euro einschließlich Zinsen als nachträgliche Umsatzbeteiligung an dem Welterfolg zugesprochen. (OLG München, Urt. v. 21.12.2017, Az. 29 U 2619/16)
Im Gegensatz zum OLG München hat das OLG Stuttgart dem Kläger allerdings den geforderten Zinsbetrag nicht zugestanden, da der sog. Vertragsanpassungsanspruch keine Geldschuld betreffe.
Darüber hinaus stellte das OLG Stuttgart fest, dass dem Kameramann auch für die Zeit nach dem 12. März 2016 für die jeweilige Nutzung der Filmproduktion eine weitere angemessene Beteiligung zu bezahlen sei.
Doch der Streit ist noch nicht abgeschlossen. Das OLG Stuttgart hat gegen das Urteil die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen und die Entscheidung des OLG München liegt dort bereits zur Überprüfung.
© Philipp Selbach, Stefan Müller-Römer, Oktober 2018, Alle Rechte vorbehalten