+49 (0) 221 - 290270-40
info@medienrechtsanwaelte.de

Update: Filmen von Polizisten – erlaubt oder verboten?

Mit Beschluss vom 09.07.2025 (Az.: 1 BvR 975/25) hat das BVerfG erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der andauernden Beschlagnahmung eines Smartphones geäußert, wenn die Beweisbedeutung gering und der Tatvorwurf nur von untergeordneter Schwere ist. Eine Entscheidung in der Sache wurde jedoch nicht getroffen, da die Verfassungsbeschwerde wegen Versäumung der Anhörungsrüge als unzulässig verworfen wurde.

Im März diesen Jahres hatte die Beschwerdeführerin eine Verkehrskontrolle durch mehrere Polizeibeamten mit ihrem Smartphone aufgezeichnet. Anlass für die Aufzeichnung war nach eigenen Angaben die Aktivierung der Bodycam eines Polizeibeamten.

Daraufhin wurde ihr Smartphone auf telefonische (!) Anordnung der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 StGB beschlagnahmt.

Nachdem die Beschwerdeführerin erfolglos gegen die Maßnahme vor dem Amtsgericht Rosenheim als auch vor dem Landgericht Traunstein vorgegangen war, erhob sie Verfassungsbeschwerde. Sie rügte unter anderem eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG, des Grundrechts auf Eigentum aus Art. 14 GG und des Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

Trotz Unzulässigkeit der Beschwerde hat das Bundesverfassungsgericht die Maßnahme, insbesondere in Bezug auf ihre Verhältnismäßigkeit, kritisch gewürdigt.

Die Karlsruher Richter äußerten bereits Zweifel daran, ob in dem konkreten Fall, der Aufzeichnung einer polizeilichen Maßnahme im öffentlichen Raum mit gleichzeitig laufender Bodycam-Aufzeichnung, überhaupt ein Anfangsverdacht nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgelegen hat.

In der Literatur wie auch in der fachgerichtlichen Rechtsprechung wird überwiegend (und richtigerweise) vertreten, dass Aufzeichnungen polizeilicher Maßnahmen im öffentlichen Raum regelmäßig keine strafbare Handlung darstellen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Beamten selbst eine Aufzeichnung anfertigen oder eine rechtfertigende Interessenlage vorliegt.

Die Verfassungsrichter betonten zudem, „polizeiliche Maßnahmen dürfen aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht dazu führen, dass Betroffene aus Furcht zulässige Aufnahmen und mit diesen nicht selten einhergehende Kritik am staatlichen Handeln unterlassen“.

Auch an der monatelangen Beschlagnahmung des Smartphones der Beschwerdeführerin, äußert das BVerfG Kritik. Das staatliche Interesse an der andauernden Beschlagnahme dürfte als nicht besonders hoch angesehen werden. Bei einer nicht vorbestraften Beschwerdeführerin wäre selbst bei tatbestandsmäßigem Handeln kein hohes Strafmaß nach § 201 Abs. 1 StGB zu erwarten. Auf Grund der bereits vorliegenden Beweismittel, insbesondere der Aussagen dreier Polizeibeamte, dem „Geständnis“ der Beschwerdeführerin sowie der Bodycam-Aufzeichnung, ist die Beweisbedeutung des Smartphones und das auf dem Smartphone gespeicherte Video als untergeordnet zu bewerten.

Demgegenüber stehen die gewichtigen privaten Interessen der Beschwerdeführerin aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Recht auf Eigentum. Smartphones haben heutzutage eine für die persönliche Lebensführung unverzichtbare Bedeutung und aus ihrer Auswertung ergibt sich ein erhebliches Risiko für die Persönlichkeitsrechte der Nutzenden. Daraus ergebe sich, dass die Beschlagnahmung und Auswertung eines Smartphones für die Betroffenen faktisch eine schwere Sanktion darstellt, obwohl noch kein rechtsstaatliches Urteil vorliegt und strafprozessuale Ermächtigungsgrundlagen gerade keine Ermächtigungsgrundlage für eine Sanktion sein können.

Die Beschwerdeführerin hatte zudem angeboten, die PIN freiwillig herauszugeben. Nach Ansicht des Gericht wäre es unter diesen Umständen technisch und praktisch möglich gewesen, das betreffende Video schnell zu sichern, ohne das gesamte Smartphone für längere Zeit zu beschlagnahmen. Damit ist die Beschlagnahmung des Smartphones der Beschwerdeführerin aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu rechtfertigen.

Auch wenn das BVerfG im vorliegende Fall keine inhaltliche Entscheidung getroffen hat, wird deutlich, dass eine Beschlagnahmung und anschließende Sicherstellung eines Smartphones strengen Anforderungen unterliegt. Der bloße Verdacht einer Strafbarkeit nach § 201 StGB ist dafür gerade nicht ausreichend.

Zudem wird auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Videoaufzeichnung polizeilicher Maßnahmen hingewiesen und deren Bedeutung für die öffentliche Kontrolle staatlichen Handelns hervorgehoben.

Zur Zulässigkeit von Fotos und Videoaufzeichnungen von polizeilichen Maßnahmen sind wir bereits in unserem Artikel "Darf ich Polizisten fotografieren und filmen?" eingegangen, der die Rechtslage (nämlich die Zulässigkeit) in allen Aspekten beleuchtet. 

© September 2025, Giuliana Schemschat, Stefan Müller-Römer

Zurück


© 2022 Müller-Römer Rechtsanwälte