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Unzulässige AGB für Fluggäste

In einem aktuellen Urteil hat das LG Berlin die Zulässigkeit von AGB-Klauseln der Internetseite einer Inkassodienstleisterin für die Rechte von Fluggästen geprüft (Urteil vom 12.06.2025 – 93 O 64/25).

Es handelte sich um ein einstweiliges Verfügungsverfahren einer europäischen Fluggesellschaft gegen eine Inkassodienstleisterin für die Rechte von Fluggästen.

Die beklagte Dienstleisterin bietet eine zahlungspflichtige Mitgliedschaft im Rahmen eines Abonnements an, das Leistungen für Fluggäste bei Flugbeeinträchtigungen beinhaltet. Kunden erhalten bei Mitgliedschaft zu verschiedenen Tarifen Leistungen wie eine schnelle Auszahlung, Entschädigung für den Verlust oder die Verspätung von Gepäckstücken. Diese Leistungen können nur bei Flügen in Anspruch genommen werden, die spätestens 48 h vor Abflug  registriert wurden.

Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin mit einem Mahnschreiben zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bezüglich der Vielzahl ihrer AGB auf. Die Antragsgegnerin wies die Ansprüche zurück.

Die Antragstellerin vertrat die Meinung, dass die Dienstleisterin im Rahmen des von ihr angebotenen Abonnements mit der Vielzahl ihrer AGB-Regelungen wettbewerbsrechtlich unlauter handele.

Das LG Berlin stellte fest, dass der Antragstellerin ein Verfügungsanspruch auf Unterlassung gegen die Inkassodienstleisterin zusteht. Das Gericht traf dabei folgende Kernaussagen:

  1. Unterlassung wegen fehlender wesentlicher Verbraucherinformation (§§ 5a, 5b UWG)

Die Bedingung im Abonnement, dass Leistungen nur nach einer vorherigen Registrierung des Fluges mindestens 48 Stunden vor Abflug beansprucht werden können, ist eine Information, die für den Verbraucher erhebliches Gewicht hat. Damit sind zum Beispiel kurzfristig gebuchte Flüge nicht über das Abonnement „versicherbar“. Von diesem Erfordernis war auf der Website zur Inanspruchnahme der Leistungen aber keine Rede. Das Gericht ist der Auffassung, dass es sich dabei um eine wesentliche Information im Sinne des § 5a UWG handelt und dass das Verschweigen eine unlautere Irreführung durch Unterlassen der Antragsgegnerin darstellt.

  1. Fehlender Kündigungsbutton (§ 312k BGB)

Wird Verbrauchern der Vertragsschluss über eine Website ermöglicht, so muss für Dauerschuldverhältnisse nach § 132k Abs. 2 BGB ein unmittelbar zugänglicher Kündigungsbutton vorhanden sein. Auf der Website der Antragsgegnerin gab es nur einen „Tarif stornieren“-Button nach dem Login, und keinen direkten Kündigungsbutton. Dies genügt den Anforderungen des § 312k Abs. 2 BGB nicht und begründet damit einen Verfügungsanspruch der Antragstellerin.

  1. Überraschende und unangemessene AGB-Klausel (§§ 305c, 308 Nr. 4 BGB)

Die Klausel in den AGB der Antragsgegnerin, die eine einseitige Möglichkeit des Anbieters vorsieht, das Leistungsspektrum beliebig zu ändern, ist überraschend und benachteiligt Verbraucher unangemessen. Sie verstößt damit gegen § 308 Nr. 4 BGB.

  1. Widerrufsausschluss in AGB (§ 312g BGB)

Ein Ausschluss des Widerrufsrechts über den gesetzlich vorgesehenen Rahmen hinaus ist unzulässig, da das Widerrufsrecht abschließend gesetzlich geregelt ist.

Nach § 346 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 BGB erlischt das Widerrufsrecht erst, wenn der Unternehmer seine Dienstleistung vollständig erbracht hat. Es reicht im vorliegenden Fall damit nicht aus, wenn die Fluggesellschaft die Entschädigungsforderung des Kunden „akzeptiert“ hat, die Entschädigung muss auch erfolgt sein.

Damit ist die Klausel in den AGB, die einen Widerruf des Kunden in den Fällen ausschließt, in denen die Fluggesellschaft die Entschädigungsforderung akzeptiert hat, nach § 3a UWG und § 307 Abs. 2 BGB unwirksam.

  1. Fingierte Leistungserbringung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB)

Eine Klausel, die die Leistungserbringung fingiert, obwohl diese objektiv nicht erfolgt ist, benachteiligt Verbraucher unangemessen und ist damit unwirksam.

  1. Erschwerte Rückabwicklung bei Widerruf (§§ 355, 357, 307 BGB)

Eine Klausel, die die Rückgewähr empfangener Leistungen erst „auf Anforderung“ und nach Ausfüllen eines Formulars vorsieht, widerspricht dem Unverzüglichkeitsgebot des § 355 Abs. 3 BGB und ist damit unwirksam.

  1. Fingierte Zustimmung (§ 308 Nr. 5 BGB)

Klauseln, die ohne ausreichende Transparenz oder aktive Handlung des Kunden eine Zustimmung des Kunden bezüglich der AGB von Drittanbietern fingieren, sind gemäß § 308 Nr. 5 BGB unwirksam.

  1. Intransparente Klauseln (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB)

Eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers kann sich auch daraus ergeben, dass die AGB-Bestimmungen nicht klar und verständlich sind, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Bei mehreren AGB-Bestimmungen der Antragsgegnerin handelte es sich um salvatorische Klauseln mit Formulierungen wie „soweit dies gesetzlich zulässig ist…“. Diese verstoßen gegen das Transparenzgebot und sind damit unwirksam.

  1. Unklare Risikoverteilungsklauseln (§ 307 BGB)

Eine AGB-Klausel, die das Risiko der Unwirksamkeit oder Nichteinbeziehung pauschal zu Lasten des Kunden regelt, ist unwirksam nach § 307 BGB.

  1. Einseitiges Änderungsrecht (§§ 145 ff., 307 BGB)

Eine Klausel, die dem Anbieter ein einseitiges Änderungsrecht ohne Zustimmung des Kunden einräumt, widerspricht dem Grundgedanken der Vertragsbindung, dass Vereinbarungen der Zustimmung beider Parteien bedürfen. Sie ist damit ebenfalls nach § 307 BGB unwirksam.

© Juni 2025, Mavie Lenz, Stefan Müller-Römer

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