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Unerlaubte Nutzung KI-generierter Stimme verletzt Persönlichkeitsrecht

In einem aktuellen Urteil hat das Landgericht Berlin II (Urteil vom 20.08.2025, 2 O 202/24) entschieden, dass die Verwendung einer KI-generierten Stimme, die einer realen Person zum Verwechseln ähnlich ist, eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt.

Der Kläger machte gegen den Betreiber eines YouTube-Kanals (190.000 Abonnenten) Wertersatz wegen der unerlaubten Nutzung seiner Stimme geltend. Der Beklagte hatte zwei Videos veröffentlicht, die sich kritisch mit der damaligen Bundesregierung auseinandersetzten. In diesen Videos wurde eine durch KI erzeugte Stimme verwendet, laut Kläger eine täuschend echte Nachbildung seiner eigenen.

Das LG Berlin II hat entschieden, dass der Kläger einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2, § 818 Abs. 2 BGB auf den entstandenen Lizenzschaden hat.

Nach Ansicht des Gerichts hat der Beklagte durch die Verwendung einer KI-generierten Stimme des Klägers rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen. Die Nachahmung durch KI sei rechtlich nicht anders zu bewerten als die Imitation durch einen menschlichen Stimmenimitator. Durch die Verwendung der KI-Stimme könne der falsche Eindruck entstehen, der Kläger habe persönlich an dem Video mitgewirkt oder unterstütze dessen Inhalte.

Zur Begründung verweist das Gericht auf die gefestigte Rechtsprechung, wonach das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG auch das Recht an der eigenen Stimme umfasst. Richtigerweise ist die Stimme als besonderes Persönlichkeitsmerkmal anzusehen.

Bedeutsam sei hier zudem, dass der Stimme, insbesondere im Fall einer prominenten Person, ein erheblicher wirtschaftlicher Wert zukommen könne. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich um eine Originalaufnahme oder um eine durch KI erzeugte Nachbildung handelt. Das Gericht stellte dabei auf die hohe Ähnlichkeit ab, sowohl klanglich als auch in der Wahrnehmung des Publikums.

Der Eingriff dient den kommerziellen Interessen des Beklagten. Die Stimme wird bewusst verwendet, um die Videos attraktiver zu gestalten und dadurch seine Reichweite zu erhöhen und den Umsatz seines Webshops zu steigern.

Der Kläger hatte keine Einwilligung zur Verarbeitung seiner Stimme gegenüber dem KI-Anbieter erklärt, der die Stimme konstruiert hatte. Somit konnte der Beklagte auch keine Nutzungsrechte durch seinen Kauf der gefakten Stimme erwerben.

Auf Grund der Ähnlichkeit der Stimmen, entsteht der Eindruck, der Kläger identifiziere sich mit den Inhalten der Videos, weshalb der Eingriff schwerwiegt.

Zudem wurde das Video nicht mit einem Hinweis gekennzeichnet, dass es sich bei der Stimme um eine KI-generierte Stimme handelt. Somit stellen die zwei besagten Videos sogenannte verdeckte Stimmnachahmungen dar.

Auch eine Abwägung der gegenüberstehenden Interessen aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und der Meinungs- oder Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 1, Abs. 3 GG, kommt zu keinem anderen Ergebnis. Durch die Nutzungsuntersagung der Stimme wird der Beklagte nicht in seinem Recht eingeschränkt, sich in seinen Videos kritisch oder satirisch über die damalige Bundesregierung zu äußern.

Auch eine analoge Anwendung von § 23 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 KUG scheitert, da weder ein zeitgeschichtliches Ereignis noch Kunst oder Satire vorliegen. Die Kunstfreiheit tritt zumindest dann zurück, wenn der Eindruck erweckt wird, es handle sich um tatsächliche Aussagen des Nachgeahmten. Letztendlich überwiegen die Interessen des Klägers, seine Stimme nicht ohne finanzielle Entschädigung für kommerzielle Interessen Dritter herauszugeben gem. § 23 Abs. 2 KUG analog.

Ob es sich bei der menschlichen Stimme um ein personenbezogenes Datum i.S.d. Art. 6 Abs. 1 DSGVO handelt, ließ das LG Berlin II in seiner Entscheidung offen. Grund hierfür war, dass die Verwendung der KI-generierten Stimme im konkreten Fall offensichtlich rechtswidrig war, sodass es auf die datenschutzrechtliche Einordnung nicht mehr ankam. Auch eine etwaige Privilegierung gemäß Art. 85 DSGVO wurde verneint.

Damit bleibt die Frage, ob die menschliche Stimme als personenbezogenes Datum zu qualifizieren ist, weiterhin ungeklärt und umstritten. Die Berliner Vergabekammer hat in ihrem Beschluss vom 24. September 2020 (Az. VK-B1-10/19) vertreten, dass es sich bei der menschlichen Stimme nicht um ein personenbezogenes Datum handele, da eine Identifikation allein anhand der Stimme nicht möglich sei. Dieser Auffassung wird berechtigte Kritik entgegengebracht, da eine Identifizierung anhand der Stimme technisch durchaus möglich ist. Insbesondere in Fällen in denen es sich um die Stimme eines bekannten Synchronsprechers handelt, erscheint es fernliegend, die Möglichkeit zur Identifikation zu verneinen. Vielmehr spricht insbesondere in solchen Konstellationen vieles dafür, die menschliche Stimme als personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO zu werten. Die herrschende Meinung ordnet die menschliche Stimme sogar als biometrisches Datum ein, da aus der Stimme auch Informationen über den Gesundheitszustand abgeleitet werden können. Demnach genießt die Stimme den Schutz nach Art. 9 DSGVO, als eine besondere Kategorie von personenbezogenen Daten. Aufgrund der eindeutigen technischen Möglichkeiten zur Identifizierung anhand der Stimme, überzeugt diese Ansicht.

Da es sich bei der Verwendung von KI-generierten Stimmen nicht um eine Vervielfältigung von ganzen Werken oder Werkteilen handelt und auch keine Leistung des Stimmträgers übernommen wird, sind urheberrechtliche Ansprüche nicht relevant. Der Schutz durch das Urhebergesetz erstreckt sich nur auf die Aufzeichnung der echten Stimme.

Der Beklagte hat dem Kläger im Ergebnis eine fiktive Lizenzgebühr als Wertersatz für die eingetretene Bereicherung zu leisten. Zudem muss er die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers tragen.

Das Urteil des LG Berlin II stellt klar: Die Verwendung von KI-generierten Stimmen, die den Stimmen echter Personen ähneln, bedarf deren Einwilligung, insbesondere bei kommerzieller Nutzung. Ohne eine solche Einwilligung liegt eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, die Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann.

In einem abweichend gelagerten Fall, der die Nutzung von Stimmaufzeichnungen zum Zwecke des KI-Trainings betrifft, ist die Lage nicht so eindeutig. Die praktische Durchsetzbarkeit etwaiger Ansprüche ist insofern eingeschränkt, als eine derartige Nutzung regelmäßig unbemerkt erfolgt. Dem Rechtsinhaber steht jedoch die Möglichkeit offen, gemäß § 44 Abs. 3 Satz 2 UrhG einen Nutzungsvorbehalt zu erklären, um einer entsprechenden Verwertung entgegenzutreten. Sofern die betreffende Stimmaufzeichnung nicht die für den urheberrechtlichen Schutz erforderliche Werkqualität aufweist und mit Einwilligung der betroffenen Person veröffentlicht wurde, erscheint eine Verwendung im Rahmen des KI-Trainings unter persönlichkeitsrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich zulässig.

© September 2025, Giuliana Schemschat, Stefan Müller-Römer

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