Rekordschadensersatz für Kachelmann
Das LG Köln hat den Springer-Verlag wegen seiner rechtswidrigen Berichterstattung über den Fernsehmoderator Jörg Kachelmann zu einer Schadensersatzzahlung von insgesamt 635.000 € verurteilt.
Das Gericht entschied, dass sowohl die Print- als auch die Onlineausgabe der Bildzeitung, die Persönlichkeitsrechte Kachelmanns in ihren Berichten verletzten und verkündete am 30.09.2015, nachdem der Axel Springer-Verlag einen Vergleichsvorschlag des Gerichts in Höhe von 500.000 € ablehnte, zwei Urteile (Az. 28 O 2/14 und Az. 28 O 7/14).
Es ist das höchste Schmerzensgeld, das in einem vergleichbaren Fall von einem deutschen Gericht je ausgeurteilt wurde.
Kachelmann wurde der Vergewaltigung einer ehemaligen Geliebten beschuldigt und im Jahre 2011 letztlich freigesprochen. Während des Strafprozesses hatte die Springer-Presse mehrmals über Kachelmann berichtet und intime Informationen über sein Privatleben sowie Teile seines SMS- und E-Mail-Verkehrs veröffentlicht.
Die Richter des LG Köln urteilten, dass dies Eingriffe in seine Intimsphäre, sein informationelles Selbstbestimmungsrecht und sein Recht am eigenen Bild darstellten, welche nicht durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit gerechtfertigt seien.
Ursprünglich machte Kachelmann in den beiden Prozessen insgesamt ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.250.000 € geltend.
Das Gericht hatte aber bereits im Laufe der Verhandlungen darauf hingewiesen, dass Kachelmann diese Summe nicht erwarten könne.
Ebenso verneinte das LG Köln eine gezielte Hetzkampagne des Springer-Verlags, gemeinsam mit anderen Medien, gegen Kachelmann. Der Beweis dafür sei Kachelmann nicht gelungen, da es keine Anhaltspunkte dafür gäbe, dass der Verlag vorsätzlich und mit Schädigungsabsicht gehandelt habe.
Doch auch ohne diesen Nachweis ist nach Ansicht des Gerichts zu erwarten, dass Kachelmann, vor allem aufgrund der enormen Reichweite der Bild durch die reißerische Berichterstattung, auch in Zukunft als „frauenverachtender und gewaltbereiter Mensch“ stigmatisiert bleibt und dadurch in seinem Berufs- und Privatleben massiv beeinträchtigt wird.
Bild Online muss daher 300.000 € wegen 18 Fällen, die Printausgabe 335.000 € wegen 20 Fällen rechtswidriger Berichterstattung zahlen. Einige der streitgegenständlichen Artikel wurden nicht Grundlage der Schadensberechnung, da Kachelmann bezüglich dieser zuvor keine Unterlassungsansprüche geltend gemacht hatte.
Inklusive der Zinsen und der Anwaltskosten sollen sich die zuerkannten Ansprüche auf insgesamt circa 800.000 € belaufen. Diese Summe setzt Maßstäbe. Der vorherige Rekord wegen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch die Presse lag bei 400.000 € reinem Schadensersatz. Dieser Betrag wurde 2009 der schwedischen Prinzessin Madeleine zugesprochen, nachdem in verschiedenen Medien unwahre Tatsachen über sie veröffentlicht wurden.
Da beide Parteien bereits angekündigt haben, in Berufung zu gehen, bleibt noch abzuwarten, ob diese Entscheidung auch in der nächsten Instanz Bestand haben wird.. Die Entscheidung sendet ein klares Signal, insbesondere an die Boulevardpresse, dass bei der Berichterstattung die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person sorgfältig gegen das Berichterstattungsinteresse abzuwägen sind. Da die Bildzeitung diese Abwägung oftmals zu ihren Gunsten vornimmt, trifft die Entscheidung des LG Köln nicht die Falschen, auch wenn man über die Höhe der Schadensersatzzahlung diskutieren kann.
Persönlichkeitsrechtsverletzungen, insbesondere durch Presseberichterstattung, gehören zu unseren Schwerpunkten, weshalb wir Sie auf diesem Gebiet gerne beraten.
© Laura Heel, Stefan Müller-Römer, Alexander Fallenstein, Oktober 2015, Alle Rechte vorbehalten