Kriterien für die volle Namensnennung bei Richtern
In einem aktuellen Urteil hat das OLG Frankfurt (Az.: 16 U 11/23) entschieden, dass die namentliche Nennung einer Richterin in einem von einem Verlag veröffentlichten Buch zulässig war. Die Klägerin, eine Vorsitzende Richterin, die ein aufsehenerregendes Strafverfahren geleitet hatte, verlangte die Unterlassung der Verbreitung des Buches, soweit darin ihr vollständiger Name im Zusammenhang mit einem als rechtskritisch eingestuften Strafverfahren genannt wird. Sie sah sich durch die Darstellung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, insbesondere durch die mögliche Deutung, sie sei politisch voreingenommen oder werde mit „rechten Richtern“ gleichgesetzt.
Das Gericht stellte zwar fest, dass die Nennung des Namens einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin darstelle. Dieser Eingriff sei jedoch durch das grundgesetzlich geschützte Berichterstattungsinteresse und die Pressefreiheit gerechtfertigt. Maßgeblich sei, dass die Klägerin in ihrer amtlichen Funktion als Vorsitzende Richterin an einem öffentlichkeitswirksamen Verfahren beteiligt war. Die verfassungsrechtlich garantierte Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen umfasse auch die Möglichkeit, dass Namen von mitwirkenden Richterinnen und Richtern der Öffentlichkeit bekannt werden, etwa durch Presseberichte oder Buchpublikationen. Es bestehe ein legitimes Interesse daran, auch die Identität der mitwirkenden Richter offenzulegen. Die Presse erfülle eine verfassungsrechtlich geschützte Informations- und Kontrollfunktion. Die Darstellung im Buch enthalte weder unwahre Tatsachen noch entstellende Bewertungen der Klägerin. Der Autor habe sich auf eine öffentlich gehaltene Erklärung der Klägerin in der Urteilsbegründung gestützt und sie zutreffend zitiert. Eine pauschale oder politische Einordnung als „rechte Richterin“ sei nicht erfolgt. Auch der kritische Kontext der Buchveröffentlichung führe nicht zu einer Stigmatisierung.
Zudem seien auch keine Anhaltspunkte für eine unzulässige „Prangerwirkung“ erkennbar. Die Klägerin sei nicht aus einer Vielzahl von Justizbeteiligten herausgehoben worden, vielmehr habe sich die Kritik im Buch auf die gesamte Strafkammer sowie strukturelle Aspekte der Verfahrensführung bezogen. Eine pauschale oder persönliche Abwertung der Klägerin sei daraus nicht abzuleiten.
Die von der Klägerin vorgetragenen Hinweise auf mögliche Gefährdungslagen aufgrund der Publikation wurden vom Gericht nicht als ausreichend angesehen. Zum einen fehle es an konkretem Nachweis, dass die Namensnennung im Buch zu einer realen Bedrohungslage führe, zum anderen sei die Klägerin bereits zuvor öffentlich in der Presse mit dem Verfahren in Verbindung gebracht worden. Schließlich hielt das Gericht auch etwaige Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen oder die Zunahme von Befangenheitsanträgen nicht für entscheidungserheblich. Solche Effekte seien im Rechtsstaat hinzunehmen, soweit sie auf sachlicher Berichterstattung beruhen.
Das Urteil verdeutlicht, dass Richter grundsätzlich eine identifizierende Berichterstattung hinzunehmen haben – auch dann, wenn diese kritisch ausfällt. Voraussetzung bleibt jedoch stets, dass Tatsachen korrekt wiedergegeben werden und die Darstellung nicht entstellend oder persönlich diffamierend ist. Die Pressefreiheit schützt auch die kritische Auseinandersetzung mit Justizentscheidungen und ermöglicht einen namentliche Benennung, sofern diese der öffentlichen Meinungsbildung dient und keine schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen vorliegen.
Kriterien für die zulässige Namensnennung von Richtern auf einen Blick:
- Tätigkeit in einem öffentlichen Verfahren
- Öffentliches Interesse/ Pressefreiheit
- Keine konkrete Gefährdung
- Keine unwahren/ entstellenden Darstellungen
- Keine Prangerwirkung
- Identifizierbarkeit beschränkt auf dienstliche Rolle
© Juni 2025, Svea Klinger, Stefan Müller-Römer