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Keine urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Birkenstock-Sandalen als Werke der angewandten Kunst

Birkenstock versucht schon seit längerem, gegen die Herstellung und den Vertrieb von günstigen Nachahmungen ihrer Produkte, insbesondere der ikonischen Sandalen, vorzugehen.

Zuletzt hat sich das Unternehmen mit seinen Produkten vollständig von Amazon zurückgezogen, weil man dort nicht bereit war, die Nachahmer-Modelle von der Plattform zu nehmen.

Nun hatte Birkenstock auch rechtliche Schritte direkt gegen einen Hersteller dieser Nachahmungen eingeleitet.

Ursprünglich hatte Birkenstock vor dem Landgericht Köln auf Unterlassung des Vertriebs der Vervielfältigungsmodelle, die ihrer Ansicht nach das Urheberrecht verletzten, geklagt.

Außerdem hatte Birkenstock auch Auskunftserteilung, Schadenersatzfeststellung sowie Vernichtung und Rückruf der streitbefangenen Modelle beantragt.

In der ersten Instanz wurde der Klage noch vollumfänglich stattgegeben. Das Oberlandesgericht Köln hat im Berufungsverfahren nun aber anders entschieden (OLG Köln, Urteil vom 26.01.2024 - 6 U 89/23).

Streitgegenständlich sind die zwei Modelle „Arizona“ und „Gizeh“. Die Beklagte vertreibt fast identische Modelle, wodurch Birkenstock sich in seinem Urheberrecht verletzt sah.

In der rechtlichen Betrachtung ging es dabei vor allem um die Abgrenzung von Design und Kunst. Ein Design wäre nur 25 Jahre geschützt, ein Kunstwerk nach dem Urheberrecht jedoch ganze 70 Jahre. Die Designs von Karl Birkenstock datieren auf die Jahre 1973 bzw. 1983 und sind seitdem nicht oder nur minimal verändert worden. Der Schutz für ein bloßes Design ist daher schon vor über 15 bzw. sogar 25 Jahren ausgelaufen. Das bedeutet, Birkenstock hätte mit seiner Klage nur Erfolg, wenn das Design dieser Sandalen auch urheberrechtlich geschützt wäre.

Vor diesem Hintergrund stellte sich also die zentrale Frage, ob die Sandalen als Kunstwerke zu klassifizieren sind, sodass das Urheberrecht Anwendung finden kann.

Grundsätzlich können auch Werke der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt werden. Allerdings ist für einen (künstlerisch gestalteten) Gebrauchsgegenstand im Gegensatz zu einem reinen Kunstgegenstand erforderlich, dass er über seine durch die Funktion vorgegebene Form hinausgehend künstlerisch gestaltet ist.

Es muss sich um ein so genanntes „Original“ handeln. Das ist der Fall, wenn der Gegenstand die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Diese künstlerische Entscheidung muss in den Elementen des Werkes zum Vorschein kommen. Die künstlerischen Aspekte des Gesamtwerkes müssen gegenüber den bereits durch die Funktion vorgegebenen Merkmalen deutlich hervortreten, damit der Gebrauchsgegenstand zum Kunstwerk wird. Andernfalls handelt es sich „nur“ um ein Design. Im Gegensatz zu einem reinen Kunstwerk werden an ein Werk der angewandten Kunst höhere Anforderungen gestellt, um es als Kunstwerk einzuordnen können. Solange die Funktion und das Aussehen als Gebrauchsgegenstand im Vordergrund stehen, kann es sich nicht um ein Kunstwerk handeln. 

Auch wenn den Birkenstocksandalen eine nicht unerhebliche Designleistung zugrunde liegt, ist das OLG Köln hier zu dem Schluss gekommen, dass sie keine Kunstwerke sind.

Nach Auffassung des OLG Köln wurde nur der in technisch-funktionaler Hinsicht bestehende Gestaltungsspielraum ausgeschöpft. Eine über die durch die Funktion vorgegebene Form hinausgehende künstlerische Ausgestaltung sei aber nicht erkennbar. Zwar hatte Karl Birkenstock bei der Gestaltung der Sandalen auch viel kreative Arbeit investiert. Im Endprodukt seien aber – so das OLG Köln - keine künstlerischen Elemente erkennbar, die eine Einstufung als Kunstwerk rechtfertigen würden.

Die eigenen künstlerischen Merkmale fallen neben der funktionalen Gestaltung nicht erheblich ins Gewicht. So hatte Karl Birkenstock ein besonderes Augenmerk auf die Gestaltung des Fußbettes gelegt, für das die Firma bis heute bekannt ist. Er hatte eine Vielzahl an Fußabdrücken genommen und verschiedenste Formen des Fußbettes ausprobiert, bis er schließlich beim heute bekannten Endprodukt landete.

Birkenstock sieht diese Arbeitsleistung als Kunst an. Das OLG ist aber der Meinung, dass dieses (mit besonderem Aufwand gestaltete) Fußbett in erster Linie der Funktionalität dient. Das war auch schon die Intention des Designers Karl Birkenstock, der mit seiner Arbeit ein Fußbett kreieren wollte, das möglichst allen Füßen gesund passt. Diese Zielrichtung war demnach eine funktionelle und keine künstlerische.

Die Funktionalität steht daher bei diesem Werk eindeutig im Vordergrund. Der Aufwand, der bei der Gestaltung betrieben wurde, ist für diese Bewertung unerheblich. Es geht nicht darum, wie aufwendig oder künstlerisch der Schaffensprozess war, sondern lediglich, wie die künstlerischen Elemente im Endprodukt zur Geltung kommen.  

Insgesamt handelt es sich hier um eine spannende Entscheidung, die grundlegende Bewertungsmaßstäbe für die Abgrenzung von Kunst zu Design aufstellt. An diesen Standards werden sich in Zukunft noch weitere Gegenstände der angewandten Kunst messen lassen müssen, um in den Genuss des Urheberrechtsschutzes zu kommen. 

© April 2024, Jan Jansen, Stefan Müller-Römer

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