Geld zurück bei nichtigen Online Coachings!
Seit der jüngsten Entscheidungen des BGH zum Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) ist die Coaching-Branche in Aufruhr, denn die meisten der derzeit auf dem Markt angebotenen Coachings stellen nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.06.2025, Az.: III ZR 109/24) „Fernunterricht“ im Sinne des FernUSG dar.
Das ist für die Anbieter fatal, denn die geschlossenen Coaching-Verträge sind alle nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig, wenn der Anbieter nicht über die nach FernUSG erforderliche Zulassung verfügt.
Zunächst hatten sich verschiedene Oberlandesgerichte noch auf den Standunkt gestellt, dass das FernUSG nur Verbraucher schütze (z.B.: OLG Nürnberg, Urteil v. 05.11.2024, Az: 14 U 138/24; OLG München, Urteil v. 17.10.2024 – 29 U 310/21). Dem hat der BGH jetzt aber eine eindeutige Abfuhr erteilt und geurteilt, dass das FernUSG auf alle Personen anwendbar ist, die mit einem Veranstalter einen Vertrag über die Erbringung von Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG schließen, unabhängig davon, ob dies zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken erfolgt oder nicht (vgl. BGH a.a.O.).
Wir haben auf Grundlage dieser Rechtsprechung für einen Mandanten die Zahlungsklage des Coaching-Anbieters „Filmmaker Marketing GmbH“ aus Hürth vor dem LG Bonn erfolgreich abgewehrt. Das LG Bonn hat in seinem Urteil v. 13. November 2025, Az.: 13 O 58/25, entschieden, dass es sich bei dem „5 Figures Club“ – Coaching, einem umfassenden Marketing-Coaching-Programm, um Fernunterricht nach § 1 FernUSG handelt. Da der Anbieter nicht über die erforderliche Zulassung nach § 12 Abs. 1. S. 1 FernUSG verfügte, war der Vertrag nichtig und die Zahlungsklage wurde abgewiesen.
Dieses Schicksal dürfte die Filmmaker Marketing GmbH aber momentan mit vielen anderen Coaching-Anbietern teilen, denn bei den meisten Coachings dürfte es sich nach der BGH-Rechtsprechung um „Fernunterricht“ im Sinne des § 1 FernUSG handeln und die wenigsten Coaching-Anbieter verfügen über die (derzeit noch) erforderliche Zulassung.
Voraussetzungen für Fernunterricht nach dem BGH
Damit das Coaching „Fernunterricht“ im Sinne des § 1 FernUSG ist, müssen folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein:
1) Gegenstand des Coachings muss die „entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen oder Fähigkeiten“ sein
Ausreichend dafür ist die Vermittlung "jeglicher" Kenntnisse und Fähigkeiten - "gleichgültig welchen Inhalts". Abgegrenzt werden muss die „Wissensvermittlung“ von der bloßen „individuellen und persönlichen Beratung und Begleitung des Kunden“, wie etwa bei einer reinen Beratungsleistung oder einem „Mentoring“.
Maßgeblich für die Frage, ob eine solche Wissensvermittlung geschuldet wird, ist zum einen der Vertragsinhalt oder - sofern dieser unklar ist (häufig werden solche Coachings in einem Video-Call abgeschlossen)- die Erwartungshaltung des Kunden unter Berücksichtigung der objektiven Begleitumstände, wie z.B. Werbeaussagen des Anbieters. Dieses Tatbestandsmerkmal ist nach dem BGH bereits dann erfüllt, wenn die Wissensvermittlung gegenüber einer individuellen und persönlichen Beratung und Begleitung des Teilnehmers deutlich im Vordergrund steht, z.B.: wenn in der Beschreibung des Coachings Lernziele vordefiniert werden oder der Anbieter Begrifflichkeiten verwendet, die auf eine Wissensvermittlung hindeuten, wie „Akademie“, „Studium“ oder „Lehrgang“ oder das Versprechen, sich „Wissen“, „Know-How“ oder „Fähigkeiten“ aneignen zu können oder wenn der Kunde abschließend ein „Zertifikat“ erhält.
Es kommt also wesentlich auf das an, was der Kunde unter Berücksichtigung der Werbeversprechen des Anbieters erwarten durfte.
2) Die Wissensvermittlung muss ausschließlich oder überwiegend bei räumlicher Trennung zwischen Coach und Kunden stattfinden
Dieses Merkmal ist allerdings nach Auffassung einiger Oberlandesgerichte dahingehend einzuschränken, dass es bei synchronem Online-Unterricht, der wie in einem „virtuellen Klassenraum“ stattfindet und nicht zeitlich versetzt abgerufen werden kann, nicht erfüllt sei, denn bei einer Videokonferenz oder anderen synchronen Kommunikation sei jederzeit ein Kontakt wie in Präsenzveranstaltungen möglich, so dass eine räumliche Trennung i.S.d. Gesetzes nicht gegeben sei, obwohl Lernende und Lehrende sich an unterschiedlichen Orten aufhielten (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG München, a.a.O.).
Die wahrscheinlich herrschende Auffassung lässt bereits jedwede räumliche Trennung ausreichen, da der Wortlaut des FernUSG diesbezüglich eindeutig sei (OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 08.08.2025, Az.: 21 U 13/25; OLG Dresden, Urteil vom 30.04.2025 , Az: 12 U 1547/24 ;OLG Stuttgart, Urteil vom 29.08.2024, Az.: 13 U 176/23; OLG Celle, Urteil v. 24.09.2024, Az.: 13 U 20/24).
Der BGH hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 12.06.2025 offen gelassen, da in dem konkreten Fall die asynchronen Unterrichtsinhalte überwogen.
3) Überwachung des Lernerfolgs wird vertraglich geschuldet
Nach der Rechtsprechung des BGH ist das Tatbestandsmerkmal der Überwachung des Lernerfolgs weit auszulegen und bereits dann erfüllt, wenn „der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten“ (vgl. BGH a.a.O.).
Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob tatsächlich eine solche Kontrolle erfolgt ist, ausschlaggebend ist, dass eine solche Kontrolle vertraglich geschuldet wird. Die Möglichkeit „Fragen zu stellen“ reicht dabei typischerweise aus, allerdings nur, wenn diese Fragen dazu dienen, zu prüfen, ob man das Erlernte auch richtig verstanden hat. Sofern das Fragerecht aber lediglich begleitend ist und der Lösung einzelner Problemstellungen oder alltäglicher Probleme dient, ist darin keine Lernkontrolle zu sehen (vgl. OLG Hamm, Hinweisbeschluss v. 15.10.2025, Az.: 12 U 63/25; OLG München, Beschluss v. 16.05.2024 – 3 U 984/24e), insbesondere, wenn dieses Fragerecht nur eine Selbstkontrolle ermöglicht. Die Kontrolle des Lernerfolges müsse nämlich „durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten“ erfolgen (vgl. OLG Köln, Urteil v. 06.12.2023, Az.: 2 U 24/23; OLG Schleswig, Urteil vom 05.07.2024, Az. 19 U 65/24).
Die vom OLG Hamburg mit Urteil vom 20.02.2024, Az.: 10 U 44/23, vertretene Auffassung, wonach die Gelegenheit des Kunden, im Rahmen des Coachings „Fragen zu stellen“, schon dem Wortsinne nach keine „Überwachung“ darstelle, dürfte aber nach dem Urteil des BGH nicht mehr zu halten sein. Denn der BGH hat gerade diesbezüglich klargestellt, dass eine „Fragemöglichkeit“ aus der Sicht der „typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise“ (also nach dem objektiven Empfängerhorizont) regelmäßig nur so verstanden werden kann, dass Gegenstand dieser Fragemöglichkeit „jedenfalls auch die vermittelten Lerninhalte sind“. Damit dürfte eine ausdrücklich erklärte „Fragemöglichkeit“ bei einem Vertrag, der eine Wissensvermittlung und nicht lediglich eine Betreuung zum Gegenstand hat, immer ausreichen, um von einer vertraglich geschuldeten „Überwachung des Lernerfolges“ auszugehen.
Doch was heißt das genau für die Kunden?
Der Kunde kann die aufgrund des nichtigen Vertrages gezahlten Kursbeiträge zurückverlangen. Allerdings muss er sich dasjenige anrechnen lassen, was er sich durch die Inanspruchnahme des Coachings erspart hat. Hat der Kunde das Coaching vollständig in Anspruch genommen, muss er sich das anrechnen lassen, was er sich dadurch erspart hat, dass er die Coaching-Inhalte nicht bei einem anderen Anbieter bestellen und bezahlen musste. „Die Dienstleistung aufgrund eines nichtigen Dienstvertrags ist nicht wertlos, wenn der Leistungsempfänger mit den Diensten sonst einen anderen, dazu Befugten, betraut hätte und diesem eine entsprechende Vergütung hätte zahlen müssen. Diese Abwicklung nach Bereicherungsrecht soll nicht demjenigen, der eine gesetzwidrige Dienstleistung vornimmt, auf einem Umweg doch eine Vergütung verschaffen, sondern nur verhindern, dass der Empfänger der Leistungen daraus einen ungerechtfertigten Vorteil zieht“ (BGH, a.a.O.). Hier ist aber der Coaching-Anbieter in der Darlegungs- und Beweislast. Der Coaching-Anbieter muss darlegen, dass der Kunde, sofern er gewusst hätte, dass das gebuchte Coaching nicht über die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 FernUSG erforderliche Zulassung verfügt, mit einem anderen Veranstalter einen Vertrag über eine entsprechende Dienstleistung geschlossen hätte. Dies ist häufig sehr schwierig, sodass gute Chancen bestehen, den bezahlten Coaching-Preis erstattet zu bekommen.
Welche Anbieter sind davon betroffen?
In dem o.g. von uns vertretenen Fall hat das Landgericht Bonn mit Urteil vom 13. November 2025, Az.: 13 O 58/25, die Zahlungsklage des Coaching-Anbieters Filmmaker Marketing GmbH aus Hürth wegen des „5 Figures Club”-Coachings abgewiesen. Der Vertragsschluss war nichtig, weil der Anbieter nicht über die erforderliche Zulassung nach FernUSG verfügte.
„E-Commerce Master Club“ - Helfenstein Consulting GmbH aus Hamburg – dieses Coaching war Grundlage der BGH-Entscheidung vom 12.06.2025
„Elite Coaching 5.0 – Agentur zur Freiheit“ - NV Business Consulting GmbH - LG Kiel, Urteil vom 15. Oktober 2025 Az. 12 O 138/25
„Mastermind Exellence“ – CloserConnection (Max Frey) aus Wuppertal - LG Heilbronn, Urteil vom 29.08.2025, Az.: Bö 1 O 25/25
„ECOMBEAST PRO MENTORING“ - DN Consulting GmbH aus Lindau - LG Magdeburg, Urteil vom 12.11.2025, Az.: 2 O 596/25
„Herz-Business-Mastery Mentoring" – Business Mentor GmbH aus Wittlich - LG Trier, Urteil vom 13.10.2025, Az.: 6 O 47/25
“ECOMLAUNCHPAD” – Schnell Sollutions LLC aus Los Angeles (USA) - LG Stuttgart, Urteil vom 30.09.2025, Az.: 46 O 187/24
„Gold Mentoring“ – Tax Mentoring GmbH aus Leverkusen - LG Schweinfurt, Urteil vom 29.09.2025, Az.: 21 O 161/25
„D2D High Performer Coaching“ – SHRS Consulting GmbH aus Berlin - LG Bielefeld, Urteil vom 08.09.2025, Az.: 3 O 83/25
Aber auch gegen die hinlänglich bekannten Vertriebs-Plattformen wie CopeCart, Namotto (Elopage/Ablefy) oder Digistore24 lässt sich das FernUSG einwenden, sodass die mit diesen Anbietern geschlossenen Verträge auch nichtig sind und der jeweilige Anbieter zur Rückzahlung verpflichtet ist.
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© November 2025, Philipp Selbach, Stefan Müller-Römer