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FernUSG ist auch auf Verträge zwischen Unternehmen anwendbar

Mit Urteil vom 12.06.2025 (III ZR 109/24) wies der BGH die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Stuttgart zurück. Der Kläger und die Beklagte stritten über Zahlungsansprüche aus einem Vertrag über ein "9-Monats-Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness" zum Preis von 47.600 € brutto. Für dieses Programm lag keine Zulassung gemäß § 12 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht - Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) - vor.

Die Beklagte bot ein kostenpflichtige Programm an, das das Ziel hat, "Menschen unternehmerische Fähigkeiten anzueignen". und "ein umfangreiches Know-How für die persönliche und unternehmerische Entwicklung zu schaffen“ zu vermitteln. Das Programm sollte in vier Phasen ablaufen und beinhaltete u.a. Online- Meetings sowie die   Aufgabe von Hausaufgaben, die von den Klienten erledigt werden müssen.

Der Kläger zahlte an die Beklagte 23.800 €; die restliche Hälfte der Vergütung sollte bis Ende Juni 2021 entrichtet werden. Der Kläger nahm sieben Wochen lang am "Trading"-Programmabschnitt teil. Danach erklärte der Kläger die Kündigung des Vertrags und mit anwaltlichem Schreiben dessen fristlose Kündigung und Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Der Kläger hat in der Folge unter anderem geltend gemacht, der Vertrag sei wegen Verstoßes gegen das FernUSG nichtig. Er hat die Rückzahlung der bereits entrichteten Vergütung sowie die Feststellung begehrt, dass er keine Zahlungen mehr an die Beklagte zu leisten habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Hilfswiderklage stattgegeben. Der Vertrag sei weder wegen Sittenwidrigkeit noch gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG wegen Verstoßes gegen das Zulassungserfordernis für Fernlehrgänge nichtig. Dieses Gesetz sei mangels Überwachung des Lernerfolgs im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG unanwendbar. Der Kläger habe den Vertrag auch nicht wirksam angefochten oder gekündigt.

Auf seine Berufung hin hat das Oberlandesgericht in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils angenommen, der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung in Höhe von 23.800 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, weil der zwischen den Parteien abgeschlossene Dienstvertrag gemäß § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 FernUSG nichtig sei. Außerdem hat es festgestellt, dass der Kläger keine Zahlungen mehr an die Beklagte zu leisten habe. Die Beklagte begehrt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Richterinnen und Richter des BGH stellen hier fest, dass die Revision zulässig, aber unbegründet ist.

Sie entschieden, dass das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Vergütung in Höhe von 23.800 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hat. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig, weil die Beklagte für das von ihr angebotene "9-Monats-Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness" nicht über die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 FernUSG erforderliche Zulassung verfügte. Der Beklagten steht auch kein zu saldierender Wertersatzanspruch zu.

Dabei tätigt das Gericht folgende Kernaussagen:

Bei dem vom Kläger gebuchten Programm handelt es sich um Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG. Danach ist Fernunterricht die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind (Nr. 1) und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen (Nr. 2). Hier ist der zwischen den Parteien geschlossene entgeltliche Vertrag auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten gerichtet. Auf die verschiedentlich diskutierte Frage, inwieweit Online-Coaching- oder Mentoring-Angebote, auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG gerichtet sind, kommt es nicht an, weil vorliegend die Wissensvermittlung gegenüber einer individuellen und persönlichen Beratung und Begleitung des Teilnehmers deutlich im Vordergrund steht.

Das Tatbestandsmerkmal der zumindest überwiegenden räumlichen Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Vermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten wird bejaht. Ob dieses Tatbestandsmerkmal entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass zusätzlich erforderlich ist, dass die Darbietung des Unterrichts und dessen Abruf durch den Lernenden zeitlich versetzt (asynchron) erfolgt, kann allerdings offenbleiben. Im vorliegenden Fall wäre selbst bei einer solchen einschränkenden Auslegung von einer überwiegenden räumlichen Trennung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG auszugehen, da asynchrone Unterrichtsanteile hier überwiegen.

Hier war auch eine Überwachung des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten geschuldet (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG). Das Tatbestandsmerkmal der Überwachung des Lernerfolgs ist weit auszulegen und bereits dann erfüllt, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten. Dies war hier der Fall.

Der Schutzzweck des FernUSG ist weit auszulegen. § 7 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 FernUSG sind auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag anwendbar, selbst wenn der Kläger ihn nicht als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, sondern als Unternehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB abgeschlossen hat. Hier schloss der Kläger den Vertrag als Unternehmer ab, wofür der recht hohe Preis und der Inhalt des "9-Monats-Business-Mentoring-Programms Finanzielle Fitness", welches sich an unternehmerisch tätige Personen richtet, sprechen.

Daraus folgt, dass das FernUSG alle Personen erfasst, die mit einem Veranstalter einen Vertrag über die Erbringung von Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG schließen. Ob dies zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken erfolgt oder nicht, ist unerheblich.

Das wird vom Wortlaut des FernUSG gestützt, der eine Einschränkung des Anwendungsbereichs auf Verbraucher im Sinne von § 13 BGB nicht vorsieht. § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG spricht nur allgemein von dem Lernenden, ohne weitere Anforderungen an dessen Person zu stellen.

Zwar wurde in der Gesetzesbegründung mehrfach betont, dass das FernUSG dem Verbraucherschutz diene. Das Fehlen entsprechender Regelungen zum persönlichen Anwendungsbereich spricht aber dafür, dass der mit dem FernUSG intendierte Verbraucherschutz gerade nicht an die Person des Vertragsschließenden (personengebundener Verbraucherschutz), sondern an den Vertragsgegenstand (gegenstandsbezogenes Schutzkonzept) anknüpft, um entsprechend der Zielsetzung des Gesetzes alle potenziellen Teilnehmer vor ungeeigneten Fernlehrgängen zu schützen.

Auch der Sinn und Zweck der §§ 2 ff FernUSG steht einer Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Verbraucher im Sinne des § 13 BGB entgegen. Der Gesetzgeber wollte mit dem FernUSG die Fernunterrichtsteilnehmer vor unseriösen Fernunterrichtsangeboten schützen. Den §§ 2 ff FernUSG liegt dabei ein gegenstandsbezogenes Schutzkonzept zugrunde, das jeden Teilnehmer, der im Vorfeld des Vertragsschlusses nur eingeschränkte Möglichkeiten hat, die Eignung und Qualität eines Fernlehrgangs zu überprüfen, vor einer Fehleinschätzung bewahren soll.

Das Programm der Beklagten verfügte über keine für das Angebot von Fernunterricht erforderliche Zulassung (§ 12 Abs. 1 FernUSG). Der Fernunterrichtsvertrag ist damit nichtig (§ 7 Abs. 1 FernUSG). Dem Kläger als Teilnehmer steht damit ein Anspruch auf Rückforderung der gezahlten Vergütung in Höhe von 23.800 Euro zu (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB).

Der BGH erkennt an, dass die Möglichkeit für einen Programmanbieter bestehen kann, dem Anspruch seines Teilnehmers auf Rückzahlung der Vergütung einen eigenen Anspruch entgegenzuhalten. Voraussetzung hierfür ist, dass der Anbieter von dem Verstoß gegen das FernUSG keine Kenntnis hatte und er in der Lage ist, den Wert der Leistungen, die der Teilnehmer empfangen hat, darzulegen. Für Letzteres fordert der BGH vom Anbieter, darzulegen, dass der Teilnehmer ansonsten einen anderen, nach dem FernUSG Befugten betraut hätte und diesem eine entsprechende Vergütung hätte zahlen müssen. Kann der Anbieter dies darlegen und gegebenenfalls beweisen, wird sein Wertersatzanspruch (§ 818 Abs. 2 BGB) automatisch mit dem Erstattungsanspruch des Teilnehmers verrechnet („Saldotheorie“). Bei Dienstleistungen bemesse sich die Höhe des Wertersatzes nach der üblichen und hilfsweise nach der angemessenen, vom Vertragspartner ersparten Vergütung. Hier sei nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang der Kläger, falls er gewusst hätte, dass das Programm nicht über die erforderliche Zulassung verfügt, mit einem anderen Veranstalter einen Vertrag über eine entsprechende Dienstleistung geschlossen hätte.

Der Kläger hat damit keine entsprechenden Aufwendungen erspart, die die Beklagte ihm entgegenhalten könnte. Es bestehe also kein zu saldierender Wertersatzanspruch.

© August 2025, Mavie Lenz, Stefan Müller-Römer

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