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Darf ich Polizisten fotografieren und filmen?

Polizisten stehen wegen der aktuellen Gewaltexzesse in den USA erneut im Fokus des gesellschaftlichen Diskurses. Denn obwohl sie eigentlich Recht und Ordnung schützen sollen, wurden Polizisten dort zum wiederholten Mal bei der rechtswidrigen, tödlichen Ausübung von Gewalt erwischt und gefilmt. Leider kommen Gewaltexzesse von Polizisten auch in Deutschland öfter vor, als sie vorkommen sollten. Eigentlich dürften sie gar nicht vorkommen. Immerhin nehmen diese Vorfälle in Deutschland in der Regel keinen tödlichen Ausgang, weil die deutsche Polizei angehalten ist, im Zweifel keinen Gebrauch von der Schusswaffe zu machen und weil die Wild-West-Mentalität in Deutschland im Gegensatz zu den USA glücklicherweise ebenfalls unterentwickelt ist.

Ohne die Kameraaufnahmen von aufmerksamen Bürgern wäre die brutale Tötung von George Floyd durch Polizisten nicht weltweit bekannt geworden. Vermutlich wäre wie in den meisten Fällen dieser Art am Ende gar nichts passiert, weil die Polizisten falsch ausgesagt und sich gegenseitig gedeckt hätten, sodass die Staatsanwälte die Ermittlungen am Ende einfach eingestellt hätten.

Ohne die Filmaufnahmen im Fall Floyd hätte es keine klaren und unleugbaren Beweise gegeben. Statt dessen wären die Zeugen des Vorfalls mit Gegenanzeigen oder anderen Mitteln unter Druck gesetzt worden. Wenn sie diesem Druck standgehalten und ihre Aussagen gemacht hätten, hätte die Staatsanwaltschaft wie in so vielen anderen Fällen die Aussagen als nicht hinreichend glaubhaft eingeordnet, weil die Polizisten natürlich das Gegenteil ausgesagt hätten, und dann den Fall zu den Akten gelegt.

Erstaunlich ist deshalb im Fall Floyd, dass die Polizisten nichts gegen die lange auf sie gerichteten (Handy)Kameras unternommen haben, obwohl sie diese wahrgenommen haben müssen.

In Deutschland sind die Polizisten da schon etwas weiter oder „besser trainiert“. Sie reagieren sehr oft aggressiv und abwehrend, wenn sie filmende Bürger wahrnehmen und versuchen die Aufnahmen zu unterbinden, gerne mit Identitätsfeststellungen oder Beschlagnahmungen der Handys. Sie kennen auch die Argumentation, die sie in diesen Fällen mindestens bringen müssen, indem sie auf die (vermeintliche) Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte in Kombination mit der Behinderung der Polizeiarbeit verweisen. Ganz offensichtlich wird polizeiintern in dieser Richtung ausgebildet. Dahinter steckt offensichtlich die Absicht der Einschüchterung, damit nicht zu viele solcher Aufnahmen veröffentlicht werden.

Auch in Deutschland werden regelmäßig krass rechtswidrige Polizeieinsätze nicht korrekt untersucht bzw. vertuscht, weil es zum einen bei der Polizei die unselige Tradition des „Korpsgeistes“ gibt und weil es zum anderen bei den Staatsanwaltschaften eine ausgeprägte Blindheit auf dem Polizei-Auge gibt. Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

 

Sind Bildaufnahmen von Polizisten erlaubt?

Es stellt sich also die Frage, ob es Bürgern erlaubt ist, Polizisten im Einsatz zu fotografieren oder zu filmen.

In seinem Beschluss vom 24. Juli 2015 (BvR 2501/13) hat das Bundesverfassungsgericht zutreffend entschieden, dass jedermann Maßnahmen der Polizei zur Beweissicherung aufnehmen darf.

Die Aufnahme selbst ist also erlaubt, solange man dabei nicht die Polizeiarbeit behindert. Der pauschale Behinderungsvorwurf, der von der Polizei gerne und schnell erhoben wird, ist nicht zu beachten, wenn nicht konkrete Tatsachen für eine Behinderung genannt werden. Ein darauf basierender Platzverweis wäre rechtswidrig. Nur leider sprechen Polizisten gerne rechtswidrige Platzverweise aus, weil deren rechtliche Überprüfung ja erst mit wochenlanger Verzögerung möglich ist.

In der konkreten Situation auf der Straße ist es für den Bürger schwer und nicht ungefährlich, sich einer rechtswidrigen Maßnahme der Polizei (Platzverweis und/oder Handybeschlagnahmung) zu widersetzen, erst Recht wenn er alleine sein sollte. In diesen Fällen sollte man im Zweifel besser gehen, weil man in einem Verfahren ohne wenigstens einen Zeugen überhaupt keine Chance gegen zwei Polizisten hat.

Problematisch kann jedoch die Veröffentlichung einer solchen, grundsätzlich zulässigen Aufnahme werden.

Wenn einzelne Beamte erkennbar im Fokus der Aufnahme stehen, liegt – nach Auffassung mancher Gerichte - in der Veröffentlichung dann ein Verstoß gegen das Recht des Polizisten am eigenen Bild gem. §§ 33 Abs. 1, 22 Satz 1 KUG, wenn es sich um einen alltäglichen Polizeieinsatz handelt. In einem solchen Fall soll es nach dieser Auffassung der Einwilligung der jeweiligen Polizisten (dazu OLG Oldenburg Beschl. v. 21.07.2015 – 13 U 51/14) bedürfen.

Nicht nur aus unserer Sicht ist diese Auffassung falsch. Denn Polizisten sind auch bei alltäglichen Einsätzen im Rahmen ihrer Dienstausübung, also hoheitlich, und nicht als Privatperson unterwegs. Sie haben in diesem Rahmen die Befugnis, Grundrechte einzuschränken (z.B. Festnahme) und notfalls sogar Gewalt auszuüben, womit einhergeht, dass ihre Dienstausübung in jeder Phase beobachtet und damit auch gefilmt werden dürfen muss. Letztlich gewährleistet nur die Beobachtung eine hinreichende Kontrolle. Dadurch dass mittlerweile fast jeder Bürger Aufnahmen mit dem Handy anfertigen kann, ist inzwischen eine viel höhere Kontrolldichte der Polizeiarbeit gegeben. Das nützt zwar unserem Rechtsstaat, aber es gefällt nicht allen bei der Polizei und leider auch bei der Justiz.

Wenn ein Polizist im Verdacht steht, eine Straftat begangen zu haben, soll die Ausnahme des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG greifen, die eine Veröffentlichung bei zeitgeschichtlich relevanten Geschehen in jedem Fall ohne Einwilligung des Polizisten erlaubt (dazu ebenfalls OLG Oldenburg Beschl. v. 21.07.2015 – 13 U 51/14).

Streiten kann man sich aber natürlich, ab wann ein Verdacht besteht.

Auch in solchen Fällen ist – nach Auffassung einiger Gerichte - bei einer klaren Erkennbarkeit des Gesichts des Polizisten jedoch abzuwägen, ob nur eine verpixelte Veröffentlichung zulässig sein könnte, weil nur so eine vorschnelle Stigmatisierung des Polizisten und damit eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen sein soll.

Diese Auffassung einiger Gerichte ist mit den vorstehend genannten Argumenten ebenfalls abzulehnen. Polizisten sind immer hoheitlich unterwegs, weswegen ihre Persönlichkeitsrechte zurücktreten müssen.

Ist das Gesicht des Polizisten nicht erkennbar oder ist nur eine Nummer auf der Uniform erkennbar, muss immerhin nach keiner Auffassung verpixelt werden.

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dürfen Polizisten nicht standardmäßig davon ausgehen, dass die sie filmenden Personen die Aufnahmen in rechtswidriger Art und Weise veröffentlichen werden und deshalb eine konkrete Gefahr für ihr grundsätzlich gegebenes Persönlichkeitsrecht besteht, das ihnen ein Unterbinden des Filmens erlaubt.

Eine Identitätsfeststellung bei einer Person, die Aufnahmen anfertigt, ist daher grundsätzlich ein rechtswidriger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Aufnehmenden.

 

Was ist mit der Tonspur?

Videos mit dem Smartphone nehmen jedoch nicht nur Bilder, sondern automatisch auch eine Tonspur auf. Dies kann problematisch sein, da es den Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllen kann. Demnach steht es unter Strafe, nichtöffentliche Gespräche aufzunehmen. Es stellt sich also die Frage, was nichtöffentliche Gespräche sind?

Nach der wenig überraschenden Auffassung einiger Staatsanwaltschaften ist ein Gespräch mit einem Polizisten immer „nichtöffentlich“. Eine Äußerung soll nach dieser Auffassung als nichtöffentlich gelten, wenn sie sich an einen bestimmten Personenkreis richtet. Das ist bei polizeilichen Maßnahmen regelmäßig der Fall. So rechtfertigen die Staatsanwaltschaften dann die Ermittlungen, wenn eine Aufnahme mit Ton veröffentlich worden ist.

Vor dem Hintergrund der oben bereits erwähnten hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung durch Polizeibeamte ist es bestenfalls erstaunlich, die Auffassung zur Nichtöffentlichkeit polizeilicher Äußerungen zu vertreten.

Insbesondere bei Demonstrationen besteht regelmäßig schon eine „faktische Öffentlichkeit“, weil eine nichtöffentliche Äußerung gegenüber einem einzelnen Demonstrationsteilnehmer praktisch nicht möglich ist.

Die Rechtsprechung ist noch viel zu oft auf dem Holzweg, wenn es darum geht, ob Äußerungen von Polizisten nichtöffentlich sind. So bestätigte das LG München vor kurzem die strafrechtliche Verurteilung einer Studentin, die eine dienstliche Ansprache eines Polizisten aufgenommen hatte (LG München I Urt. v. 11.02.2019 – 25 Ns 116 Js 165870/17). Eine absurde Entscheidung.

Polizisten in Uniform mit der Befugnis Gewalt auszuüben, müssen einer besonders strengen Kontrolle ihrer Dienstausübung unterliegen. Sie können im Dienst nicht wie Privatpersonen mit den gleichen Persönlichkeitsrechten behandelt werden, weil sie in ihrer Funktion als Polizist keine Privatperson sind.

Die Äußerung eines Polizisten im Rahmen seiner Dienstausübung ist also immer als öffentlich zu bewerten, nicht zuletzt weil ein starkes rechtsstaatlich begründetes Interesse an der Kontrolle staatlicher Gewaltausübung besteht.

Erfreulicherweise sieht dies auch der Strafrechtler und Polizeiausbilder in Brandenburg, Frederik Roggan, so und äußert dies auch in einem Beitrag für die Sendung Panorama in der ARD:

https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2021/Polizeigewalt-Filmen-verboten,polizeigewalt246.html

 

Ein anderes Verständnis würde es Polizisten erlauben, sich weitgehend jeder Kontrolle zu entziehen. Dies wäre fatal für die Kontrolle staatlicher Gewaltausübung.

Seltsam mutet die andere Auffassung von einigen Staatsanwälten, Richtern und der Polizei insbesondere vor dem Hintergrund an, dass die Polizei selbst geradezu exzessiv Filmaufnahmen von z.B. Demonstrationen oder Fußballspielen anfertigt.

Insoweit hat übrigens das Landgericht Köln am 01.04.2021 (Az: 157 Ns 8/20) entschieden, dass anlassloses exzessives Filmen im Fußballstadtion in bestimmten Fällen zu einem Beweisverwertungsverbot führen kann, weil die Polizei auch im Fußballstadion nicht machen kann, was sie will, sondern an Recht und Ordnung und damit an die Einhaltung bestimmter Regeln gebunden ist.

In der Praxis bestehen bei der Dokumentation von Polizeieinsätzen trotz der vorstehend geäußerten Auffassung natürlich Risiken.

Die tatsächlichen Risiken bestehen darin, dass die Polizisten sich nicht an Recht und Gesetz und Verhältnismäßigkeit halten und einfach – notfalls gewaltsam - versuchen, die Aufnahmen zu unterbinden. Widerstand gegen dieses rechtswidrige Vorgehen mündet dann in einer Anzeige wegen Widerstands gegen Polizeibeamte, denen von Staatsanwälten immer sehr gerne nachgegangen wird und deren Anklagen von Gerichten gerne gefolgt wird.

Die rechtlichen Risiken bestehen unabhängig von der Widerstandsanzeige in staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen der Veröffentlichung, weil es einen ausgeprägten Hang bei den Strafverfolgungsbehörden gibt, Polizisten über Gebühr zu schützen, obwohl gerade das polizeiliche Handeln von den Staatsanwaltschaften und den Gerichten sorgfältig begutachtet werden müsste, weil rechtswidriges Handeln von Polizisten die Fundamente unseres Rechtsstaats massiv untergräbt, weil Polizisten wegen ihrer besonderen Funktion und ihrer damit verbundenen besonderen Befugnisse immer ein Vorbild sein müssen.

Um so wichtiger ist es, dass sich möglichst viele Juristen dahingehend positionieren, dass Polizeibeamte immer gefilmt werden dürfen. Nur so ist einigermaßen gewährleistet, dass sie sich rechtlich korrekt verhalten. Nur so können Gesetzesübertretungen von Polizisten verfolgt werden, wovon unser Rechtsstaat am Ende profitiert.

© Stefan Müller-Römer, September 2021, Alle Rechte vorbehalten

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