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Bloggende Anwälte sind keine Journalisten

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat mit Beschluss vom 12.04.2021 (Az. 4 W 108/21) entschieden, dass von Anwältinnen und Anwälten betriebene Blogs kein journalistisch-redaktionelles Angebot sind. Dementsprechend bestehe auch kein Anspruch auf die Veröffentlichung von Gegendarstellungen gemäß § 20 Abs. 1, 3 Medienstaatsvertrag (MStV) im Falle von falschen Tatsachenbehauptungen. 

Das „Bloggen“ ist nicht mehr nur den klassischen Reportern vorbehalten. Vielmehr bedienen sich inzwischen auch viele Anwältinnen und Anwälte dieses beliebten Kommunikationsmittels im Netz. Um die Sichtbarkeit der Kanzlei zu erhöhen und in der Online-Welt präsenter zu sein, veröffentlichen viele Kanzleien Artikel und Blogbeiträge, um über neueste Urteile oder spannende rechtliche Probleme zu berichten. Dadurch kann die Kompetenz im eigenen Fachgebiet unterstrichen werden und man zeigt potenziellen Kunden, dass man als Kanzlei aufmerksam und am Puls der Zeit ist. So hielt es auch der Antragsgegner in dem o.g. Verfahren vor dem OLG Koblenz. 

Er ist Anwalt und hat auf seiner Homepage Links eingepflegt, die zu diversen Artikeln weiterleiten, welche teils von in der Kanzlei tätigen Rechtsanwälten an anderer Stelle veröffentlicht wurden oder in denen die Kanzlei von Drittautoren erwähnt wird.

Zusätzlich sind auch Videobeiträge der Kanzlei zu arbeitsrechtlichen Themen verlinkt. 

In dem vorliegenden Fall war seine Anwaltskanzlei verklagt worden, weil sie auf ihrem Blog auf einen externen Artikel verwies, in dem darüber berichtet wurde, dass der Antragsteller auf seinem YouTube-Kanal durch Verletzung fremder Marken und Inhalte diverse Rechtsverletzungen begangen habe.

Der Antragsteller verlangte nun eine Gegendarstellung nach § 20 Medienstaatsvertrag.

Diesen Anspruch sah das zuständige Landgericht aber nicht. Dagegen legte der Antragsteller sofortige Beschwerde ein. 

Juristisch aufbereitete Artikel sind kein journalistisch-redaktionelles Angebot 

Das OLG Koblenz wies die Beschwerde des Antragstellers jedoch ebenfalls zurück. Das Gericht war der Auffassung, die über den Blog aufrufbaren Beiträge seien nicht als Fachjournalismus zu bewerten. Vielmehr dienten sie der kommerziellen Kommunikation i. S. d. § 2 Nr. 5 TMG, insbesondere auch durch die Selbstdarstellung des Antragsgegners. Es handele sich um die „Anberatung“ potentieller Mandanten, die Darstellung von betreuten Fällen und erzielten Erfolgen sowie allgemeine Informationen rund um die tätigkeitsbezogenen Themen, in denen sich potentielle Mandanten wiederfinden könnten, um zur Geltendmachung ihrer Rechte auf die Kanzlei zuzukommen. 

Welche Angebote als journalistisch-redaktionell anzusehen seien, sei im Medienstaatsvertrag zwar gar nicht definiert. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein Angebot i. S. d. § 20 MStV „journalistisch-redaktionell“ gestaltet ist, sei bisher nicht in jeder Hinsicht abschließend geklärt. Dies gelte insbesondere für Fallkonstellationen, in denen Angebote gerade nicht von klassischen Redaktionen mit speziell ausgebildeten Journalisten erstellt würden. 

Dennoch müsse bei der Veröffentlichung redaktionell gestalteter Angebote zumindest die Absicht einer Berichterstattung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gegeben sein. Denn nur die Tätigkeiten, die der Erfüllung der Aufgaben einer funktional verstandenen Presse bzw. des Rundfunks dienten, würden auch vom Medienprivileg erfasst, argumentierte das Gericht. 

Juristischen Artikeln fehlt die gesellschaftliche Relevanz 

Ist eine solche Veröffentlichung ausschließlich oder zumindest auch kommerziell, sei sie nicht als journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot anzusehen. Denn sie sei an wirtschaftlichen Interessen ausgerichtet und nicht an Kriterien gesellschaftlicher Relevanz. 

Das Gericht sah in den Inhalten des „bloggenden Anwalts“ keinen gesellschaftspolitischen Mehrwert. Vielmehr liege die im Blog betriebene, werbende Darstellung, nur im kommerziellen Bereich. Durch die bloße Veröffentlichung von Links, die also erst im zweiten Schritt zu weitergehenden Beiträgen führten, fehle es erkennbar an der erforderlichen publizistischen Zielsetzung. 

Das Gericht beurteilte die Frage der Aufmachung und inhaltlichen Richtigkeit der Artikel als völlig irrelevant. Maßgebend sei allein der Umstand, dass der Artikel nach Standort und Inhalt von einer ersichtlich kommerziellen Zielsetzung des Antragsgegners geprägt sei, nämlich der Mandantenwerbung aus einem vom Antragsteller potentiell geschädigten Personenkreis. 

Es bleibt abzuwarten, ob auch andere Gerichte Blogs von Anwältinnen und Anwälten und eventuell auch anderer Berufsgruppen als nicht journalistisch bewerten. Zwingend ist diese Einschätzung nicht. Jedenfalls ist der Umstand, dass der Inhalt der veröffentlichen Artikel als gesellschaftspolitisch völlig irrelevant abgetan wurde, nur schwer nachvollziehbar. Denn Artikel zu juristischen Themen sind meist zutiefst gesellschaftspolitisch relevant. 

© Juli 2021, Linda Römer, Stefan Müller-Römer, Alle Rechte vorbehalten

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