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Bezeichnung als „schwul“ kann Beleidigung sein

Nicht nur in der Jugendsprache und in zahlreichen Rap-Texten wird der Begriff „schwul“ als explizites Schimpfwort verwendet. Ist es also noch zeitgemäß, die Bezeichnung „schwul“ als negativ konnotiert, abwertend und somit als strafbare Beleidigung zu verstehen? 

Das OLG Köln hat im April 2022 entschieden, dass es immer auf den jeweiligen konkreten Kontext ankommt: 

Im Rahmen einer in den sozialen Medien ausgetragenen Auseinandersetzung zwischen den YouTubern „KuchenTV“ und „A.B.K“ veröffentlichte A.B.K eine Instagram-Story, in der KuchenTV von einem unbekannten Dritten als „Bastard“ und „schwul“ bezeichnet wurde. 

KuchenTV zog dagegen vor Gericht und erwirkte vor dem LG Köln eine einstweilige Verfügung. Allerdings bekam er nur teilweise Recht. Lediglich in der Bezeichnung als „Bastard“ sah das LG Köln eine strafbare Beleidigung (§ 185 StGB). Die Aussage „KuchenTV, du bist schwul“ sei hingegen keine Beleidigung, so das LG Köln. Gegen diese Entscheidung legte KuchenTV sofortige Beschwerde beim OLG Köln ein. 

Mit Beschluss vom 26.04.2022 (Az.: 15 W 15/22) entschied das OLG Köln, dass die Bezeichnung als „schwul“ eine Beleidigung darstellen kann. 

Es komme dabei immer auf den konkreten Kontext an. Im konkreten Kontext fasse der durchschnittliche Instagram-Nutzer die Äußerung "schwul" als Beleidigung auf – allein schon, weil ein paar Sekunden später die Bezeichnung "Bastard" falle, was unzweifelhaft eine Beleidigung sei, so das OLG Köln. Zudem werde das Wort „schwul“ laut Duden in der Jugendsprache als Synonym für "in Verdruss, Ärger, Ablehnung hervorrufender Weise schlecht, unattraktiv und uninteressant" verwendet, weswegen es bei der Verwendung in diesem Sinne auch als diskriminierend gelten müsse. 

Es überwiege daher das Persönlichkeitsrecht von KuchenTV, auch weil nicht deutlich erkennbar gewesen sei, dass die Instagram-Story von A.B.K. als Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung dienen sollte. Das OLG stellte fest, dass die streitgegenständliche Instagram-Story in diesem Fall lediglich der Diffamierung von KuchenTV diene und gab der Beschwerde statt. 

Ein weiteres Beispiel dafür, dass es im Äußerungsrecht auf den konkreten Kontext ankommt, ist der Rechtsstreit des Hip-Hop-Journalisten „Rooz“ aus dem Jahr 2021 gegen „Bushido“. Dieser bezeichnete Rooz in seinem Song „King Sonny Black“ als „Missgeburt“. Dies stellt nach Auffassung des LG Essen einen Verstoß gegen die Menschenwürde dar. Bushido erkenne mit dieser Äußerung Rooz, der an einer angeborenen Stoffwechselerkrankung der Knochen leidet und deswegen als behindert gilt, sein menschliches Dasein ab, ähnlich der Rassenideologie der Nazis. Dabei berücksichtigte das LG Essen ausdrücklich, dass in der Rap-Szene andere Maßstäbe gelten, da diese spezielle Kunstform von Grenzverletzungen lebe. Die Äußerung zu Rooz‘ Behinderung ginge allerdings unter Berücksichtigung des konkreten Kontextes zu weit. 

Dass der Kontext im Äußerungsrecht immer eine Frage der Interpretation ist, zeigt auch das Urteil des LG Tübingen vom 18. Juli 2012, Az.: 24 Ns 13 Js 10523/11.

In diesem Fall wurden vier Polizisten während einer Blutentnahme als „homosexuell“, „dreckige Schwanzlutscher“ und „Schwuchteln“ bezeichnet. Sowohl das AG Tübingen als auch in zweiter Instanz das LG Tübingen sahen lediglich in den Äußerungen „dreckige Schwanzlutscher“ und „Schwuchteln“ Beleidigungen.

Die Bezeichnung als „homosexuell“ stelle in diesem Fall keine Beleidigung dar, weil dies eine wertneutrale Äußerung sei, auch wenn der Äußernde dies beleidigend gemeint habe. Nach der Einschätzung des OLG Köln ist diese Beurteilung falsch. 

Auch im Falle eines katholischen Priesters, der sich abwertend über Homosexualität geäußert hatte („Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist zutiefst teuflisch und satanisch”), wurde die Verurteilung (in diesem Falle wegen Volksverhetzung) durch das Amtsgericht in erster Instanz durch das Landgericht in der Berufung aufgehoben. Das LG Bremen vertrat die Auffassung, die Position des Pastors sei von der Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt (LG Bremen, Urt. v. 20.05.2022, Az. 51 Ns 225 Js 26577/20). Diese Einschätzung des LG Bremen halten wir für bestenfalls abenteuerlich. 

Fazit

Im Äußerungsrecht kommt es immer auf den Kontext an, in dem eine Äußerung getätigt wird. Daher ist es einzelfallabhängig, ob eine Äußerung eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt. 

Die aktuelle Entscheidung des OLG Köln ist unseres Erachtens richtig. Wenn Begriffe wie „schwul“ verwendet werden, um eine Person oder Personengruppe herabzuwürdigen und zu verunglimpfen, dann sollte dies auch entsprechend unterbunden und bestraft werden.  

© Juni 2022, Nadine Krischick, Philipp Selbach, Stefan Müller-Römer

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