Bewertungen auf Bewertungsportalen
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit Urteil vom 24.11.2015 (Beschwerde Kucharczyk/Polen 72966/13) entschieden, dass ein Anwalt, der auf einem Anwaltsbewertungsportal im Internet negativ bewertet worden ist, gegen den Portalinhaber keinen Anspruch auf Löschung dieser Bewertung geltend machen kann.
Geklagt hatte ein polnischer Anwalt, der von einem Internetnutzer mit dem Eintrag
„I advise against [using] this attorney. [He] is utterly ignorant of his job. [He is] disorganised and incompetent.”
negativ bewertet wurde und dadurch seinen Ruf als Anwalt zerstört sah. Auf dem Portal befanden sich allerdings auch 15 positive Bewertungen über seine Arbeit von anderen Nutzern.
Nachdem der Portalinhaber die Löschung der Bewertung ablehnte, gelangte der Fall schließlich zum EGMR, der einen Anspruch auf Löschung mit der Begründung ablehnte, der Anwalt sei ein unverzichtbares Element des Justizsystems und die Beurteilung seiner beruflichen Fähigkeiten stünde im öffentlichen Interesse. Daraus folge, dass er negative Bewertungen grundsätzlich bis zur Grenze eines schmähkritischen Eintrags dulden muss.
Bei der Abwägung der entgegenstehenden Interessen - dem öffentlichen Informationsinteresse auf der einen Seite und dem Persönlichkeitsrecht des Bewerteten auf der anderen Seite - entschied sich das Gericht auch hier für ein Überwiegen des Informationsinteresses der Öffentlichkeit und verneinte einen Anspruch auf Löschung der negativen Bewertung.
Schwierig wird es natürlich immer bei der Frage, ab wann ein Fall der Schmähkritik vorliegt. Denn dieser Begriff ist und bleibt schwammig.
Der Bundesgerichtshof definierte Schmähkritik im Urteil vom 24.02.1999 als „…Äußerungen, die nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache suchen, sondern bei denen Beschimpfungen, Schmähungen und Diffamierungen der Person im Vordergrund stünden…“. Tendenziell ziehen die Gerichte die Grenze eher großzügig und nehmen – zu Recht - nur selten eine unerlaubte Schmähkritik an.
Allerdings bedeutet diese Entscheidung nicht, dass Bewertungsportale nicht sorgfältig ausgestaltet sein müssen. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 01.03.2016 eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (OLG Köln) vom 16.12.2014 aufgehoben und die Prüfungspflicht der Bewertungsportale im Hinblick auf negative Bewertungen konkretisiert. Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Auf dem Internetportal „www.jameda.de“ haben Patienten die Möglichkeit, Ärzte zu bewerten. Dies geschieht anonym und in vorformulierten Kategorien in einem Schulnotensystem, wobei die Bewertung in einem freien Textfeld auch kommentiert werden kann.
Gegen das Portal klagte ein Zahnarzt, der von einem Nutzer die Gesamtbewertung von 4,8 erhielt, darunter die Note „ungenügend“ in drei der insgesamt fünf Kategorien.
Nachdem der Betroffene bestritt, den Bewertenden jemals behandelt zu haben, forderte er die Betreiber der Seite auf, den Eintrag zu löschen und die weitere Verbreitung dieser Bewertung zu unterlassen.
Die Beanstandung des Arztes wurde an den Nutzer weiter geleitet, der dazu Stellung bezog. Mit dem Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken wurde die Antwort des Nutzers jedoch nicht an den klagenden Arzt herausgegeben. Die Bewertung des Nutzers wurde nicht gelöscht.
Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des OLG Köln, das die Klage des Arztes ablehnt hatte, mit der Begründung auf, dass gerade bei anonymen Bewertungen auf Bewertungsportalen die Betreiber eine umfassendere Prüfungs- und Aufklärungsplicht trifft. Diese Pflichten seien durch die Portalbetreiber verletzt worden.
Zwar müssten sie sich an die bestehenden datenschutzrechtlichen Richtlinien halten. Dennoch sei das Risiko mit einer abgegebenen Bewertung die Persönlichkeitsrechte zu verletzten so hoch, dass die Prüfung der Beiträge vor der Veröffentlichung über automatisierte Prüfungsfilter (wie „Schimpfwortfilter“) hinausgehen muss. Vor allem aber muss dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet werden, den Verfasser des Beitrags selbst zu kontaktieren sowie Zugang zu Beweisen erhalten, dass der Verfasser des Beitrags tatsächlich zum Kreis der eigenen Patienten gehörte.
Angesichts des Trollunwesens und der Hemmungslosigkeit bei Bewertungen im Netz können wir nur davor warnen, dem fraglos gegebenen Reiz zu erliegen, sich in irgendeinem Bewertungsportal registrieren zu lassen, um für die eigenen Dienstleistungen zu werben. Es sollte gut überlegt werden, ob dieses Portal ordentliche Auswahlkriterien hat und vor allem seine Nutzer auch zwingt, sich mit Klarnamen am Portal anzumelden, auch wenn dann ein Fantasiename für Beiträge genutzt wird. Denn auch wenn einige Nutzer ihre ehrliche Meinung kundtun möchten, so gibt es momentan zu viele, die lediglich darauf aus sind, größtmöglichen Schaden anzurichten.
Sofern Sie von einem solchen falschen negativen Eintrag betroffen sind, beraten wir Sie gerne. Das ist eine unserer Spezialisierungen.
© Stefan Müller-Römer, April 2016, Alle Rechte vorbehalten