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Werbung für ärztliche Online-Fernbehandlungen noch unzulässig

Im Krankheitsfall einen Arzt per App kontaktieren und eine Online-Ferndiagnose samt Krankschreibung erhalten - dieses ansprechende Angebot machte eine private Krankenversicherung ihren Kunden und wurde dafür von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs verklagt. Laut der Klägerin verstoße das Krankenversicherungsunternehmen gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen nach § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG). 

Das Landgericht München gab der Klage statt und forderte die Unterlassung der Werbung, wogegen die beklagte Krankenversicherung Berufung einlegte. 

§ 9 HWG untersagt jegliches Werben für Videotreffen zwischen Arzt und Patient zum Zweck der Diagnosestellung.

Während des Berufungsverfahrens wurde der § 9 HWG vom Gesetzgeber jedoch um einen weiteren Satz ergänzt, der das generelle Werbeverbot für Fernbehandlungen über Kommunikationsmedien aufhebt, wenn die Behandlung nach „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ keinen persönlichen Kontakt erfordert. 

Das Oberlandesgericht München wies die Berufung der Beklagten trotzdem zurück, da die streitgegenständliche Werbung sowohl einen Verstoß gegen die alte als auch gegen die neue Version des § 9 HWG darstelle. 

Der erste Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, welcher unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständig ist, konstatiert zu der von der Krankenversicherung eingelegten Revision in seinem Urteil vom 09.12.2021, dass die beklagte Krankenversicherung nicht für eine ferndiagnostische Dienstleistung hätte werben dürfen.

Die verlässliche Erkennung von Krankheiten beruhe nämlich grundsätzlich auf der eigenen Wahrnehmung des praktizierenden Arztes und erfordere daher die gleichzeitige körperliche Anwesenheit von Arzt und Patient. Außerdem müssten für die professionelle Begutachtung von Gesundheitsmerkmalen in der Regel manuelle Untersuchungen, wie das Abhören oder Abtasten durchgeführt werden, so der BGH. Da aus dem vorliegenden Fall nicht hervorgehe, dass eine physische Untersuchung nach allgemein anerkannten fachlichen Standards entbehrlich war, verstoße die Beklagte auch gegen den zweiten Satz des § 9 HWG.

Der BGH führt in seiner Entscheidung an, dass mit den Standards nicht die Regelungen des für den behandelnden Arzt geltenden Berufsrechts gemeint seien. Deshalb spiele es auch keine Rolle, dass die beworbene Onlinebehandlung von Ärzten aus der Schweiz durchgeführt werde, wo virtuelle Fernbehandlungen erlaubt sind. Vielmehr ergäben sich die Standards aus § 630a Abs. 2 BGB, der die Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag regelt sowie aus den Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften. 

Demnach ist die private Krankenversicherung nach § 8 Abs. 1 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) zur Unterlassung der Werbung verpflichtet. 

© Januar 2022, Annika Wurzer, Stefan Müller-Römer, Alle Rechte vorbehalten

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