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(K)eine Urheberrechtsverletzung durch Setzen eines Hyperlinks

Es ist eine der meistgestellten Fragen in Bezug auf Haftung für fremden Inhalt im Internet: 

Bin ich verantwortlich, wenn ich auf eine Seite verlinke und auf dieser Seite rechtsverletzender Inhalt bereitgehalten wird? 

Der Generalanwalt beim EUGH beantwortete in seinen Schlussanträgen vom 07.04.2016 in dem Vorabentscheidungsverfahren GS Media ./. Sanoma (Az.: C-160/15) diese Frage in Bezug auf Urheberrecht mit einer klaren Antwort: Grundsätzlich nicht! 

(Wichtiges Update im September 2016: Der EuGH entschied nun anders – bitte runterscrollen!!!) 

So soll derjenige, der auf eine Website verlinkt, auf der urheberrechtswidrig geschützte Werke - in diesem Fall Fotos - veröffentlicht worden sind, die dort für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich sind, keine Urheberrechtsverletzung begehen.

Auf die Beweggründe des Linksetzers und darauf, dass er wusste oder hätte wissen müssen, dass die Wiedergabe auf anderen Websites ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers erfolgt ist, kommt es nach Auffassung des Generalanwalts nicht an. 

In dem betreffenden Fall hatte die Playboy-Herausgeberin Sanoma Media Netherlands („Sanoma“) eine Fotoreportage über die Fernsehmoderatorin Britt Dekker in Auftrag gegeben und war somit Rechteinhaberin der Fotos. Die Beklagte GS Media setzte über ihre Website „GeenStijl“ einen Link zu einer australischen Website, auf der die Fotos von Britt Dekker ohne Zustimmung von Sanoma veröffentlicht wurden.

GS Media wurde aufgefordert den Hyperlink zu entfernen, widersetzte sich aber. In der Folge konnte Sanoma zwar immer wieder erwirken, dass Links auf den Ursprungsseiten gelöscht wurden – so auch auf der australischen Website –, jedoch entwickelte sich ein Katz-und-Maus-Spiel, da auf der Seite „Geenstijl“ – zum Teil auch von Nutzern im Forum – immer wieder neue Links zu anderen Websites mit den Fotos auftauchten.

Daher wollte Sanoma nun direkt gegen GS Media aufgrund der Verlinkungen vorgehen.

Das Vorlagegericht, der niederländische Kassationshof („Hoge Raad der Nederlanden“) rief den EuGH an und wollte wissen, ob das Setzen eines solchen Hyperlinks einen Akt der öffentlichen Wiedergabe im Sinne der europäischen Richtlinie 2001/29/EG (INFOSOC) darstellt. Der Kassationshof wies dabei darauf hin, dass die Fotos vor der Verlinkung durch GS Media zwar auch, aber nicht so leicht zu finden gewesen seien, so dass das Auffinden durch das Setzen des Hyperlinks enorm vereinfacht worden sei.

Nun vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass durch die entsprechenden Hyperlinks die geschützten Werke, sofern sie bereits auf einer anderen Website frei zugänglich seien, nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Mit den Hyperlinks werde lediglich die Entdeckung der geschützten Werke erleichtert. Die eigentliche Zugänglichmachung sei durch die ursprüngliche Wiedergabe erfolgt. Hyperlinks auf einer Website, die zu geschützten Werken auf einer frei zugänglichen anderen Website führen, könnten daher nicht als Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne der europäischen Richtlinie 2001/29/EG eingestuft werden. Auf die Beweggründe von GS Media und darauf, dass sie wusste oder hätte wissen müssen, dass die Fotos auf den anderen Websites ursprünglich ohne die Zustimmung von Sanoma veröffentlicht und auch nicht vorher mit Zustimmung von Sanoma für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden seien, komme es insoweit nicht an.

Einzige Einschränkung in Bezug auf das Vorgesagte soll sein, dass die Fotos auf den Drittwebsites für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich waren.

Der Generalanwalt argumentierte zudem auch mit dem Sinn und Zweck der Richtlinie und den möglichen Folgen im Falle einer Verantwortlichkeit für fremde Seiten durch Linksetzung. Er stellte fest, dass jede andere Auslegung des Begriffs „Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit“ das Funktionieren des Internets erheblich beeinträchtigen und die Förderung der Entwicklung der Informationsgesellschaft in Europa als Hauptziel der INFOSOC-Richtlinie (2001/29/EG) gefährden würde. Auch wenn die Umstände im vorliegenden Fall besonders offenkundig seien, würden die Internetnutzer normalerweise nicht wissen, ob ein im Internet frei zugängliches Werk ursprünglich mit oder ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, und dies auch nicht herausfinden können.

Wenn sich jedoch jeder Internetnutzer, der einen Hyperlink auf eine x-beliebige frei abrufbare Website setze, einer Haftungsgefahr ausgesetzt sähe, im Falle, dass es dort zu Urheberrechtsverletzungen käme, wäre zu erwarten, dass das etablierte Verlinkungsprinzip kaum noch in dieser Form bestehen bliebe. Dies wäre dem gewünschten Funktionieren des Internets und letztlich der Entwicklung der Informationsgesellschaft abträglich. 

Aktueller Stand Sept. 2016:

Mit Urteil vom 08.09.2016 (Az. C-160/15) hat der EuGH nun überraschenderweise entschieden, dass das Setzen eines Hyperlinks doch eine Urheberrechtsverletzung darstellen könne. Damit wichen die Richter des EuGH von den Schlussanträgen des Generalanwalts Melchior Wathelet ab, der die Auffassung vertreten hatte, dass die Verlinkung auf Webseiten, auf denen es zu Urheberrechtsverletzungen kommt, keine öffentliche Wiedergabe im Sinne der InfoSoc-Richtlinie - und damit auch nicht selbst eine Urheberrechtsverletzung darstelle. 

Im Kern ging es um die Frage der öffentlichen Wiedergabe. Nach Ansicht des Gerichts kann eine öffentliche Wiedergabe vorliegen, wenn die Links mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden. Hierbei wird dann sogar vermutet, dass der Linksetzer in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung auf der anderen Website handelte.

Keine öffentliche Wiedergabe liegt hingegen vor, wenn die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden bereitgestellt werden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte. 

Diese Unterscheidung begründete der EuGH damit, dass dem Internet mit Blick auf die Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit eine wichtige Funktion zukomme. Hyperlinks würden zu einem guten Meinungs- und Informationsaustausch beitragen.

Handelt der Verlinkende mit Gewinnerzielungsabsicht, kann nach Ansicht des EuGH von ihm erwartet werden, dass er erforderliche Nachprüfungen vornimmt und sich vergewissert, dass die verlinkten Werke nicht unbefugt veröffentlicht worden waren. Daher sei bei Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht zu vermuten, dass das Setzen des Hyperlinks in voller Kenntnis der Urheberrechtschutzes des auf der verlinkten Website vorgehaltenen Werkes sowie der gegebenenfalls fehlenden Erlaubnis des Urhebers zu dieser Veröffentlichung auf der externen Seite erfolgt ist. Kann der Linksetzer diese Vermutung nicht entkräften, liegt mit dem Setzen eines Hyperlinks eine öffentliche Wiedergabe vor.

Anders sei der Fall bei Einzelpersonen zu bewerten, die ohne Gewinnerzielungsabsicht handeln. Hier müsse nach Ansicht des EuGH berücksichtigt werden, dass der Linksetzende nicht weiß und vernünftigerweise nicht wissen kann, dass auf den von ihm verlinkten Internetseiten gegebenenfalls Werke im Internet ohne Erlaubnis veröffentlicht wurden. Wusste oder hätte der Linksetzer wissen müssen, dass der verlinkte Inhalt ohne Zustimmung des Urhebers eingestellt worden war, so liegt eine Urheberrechtsverletzung allerdings auch ohne das Erfordernis der Gewinnerzielungsabsicht vor, so der EuGH.

Unter Bezugnahme auf diese Grundsätze entschied der EuGH Folgendes: Da die GS Media die Links zu den Fotos zu Erwerbszwecken bereitgestellt hatte und Samona die Veröffentlichung der Fotos nicht gestattet hatte, griff die Vermutung, dass das Setzen der Links durch die GS Media in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung erfolgte. Daher sei davon auszugehen, dass die GS Media mit dem Setzen der Links eine öffentliche Wiedergabe vorgenommen habe.

Das Urteil des EuGH bedeutet einerseits eine Einschränkung der Vielfalt im Netz, da viele Betreiber von Internetseiten aufgrund der auferlegten Pflicht zur umfassenden Prüfung der Internetseiten, auf die sie verlinken, womöglich nun ganz davon absehen werden, Hyperlinks zu setzen.

Auf der anderen Seite wollte der BGH aber auch die Rechteinhaber nicht im Regen stehen lassen, da es gerade in Fällen, in denen es offensichtlich ist, dass der Verlinkende weiß, auf was er verlinkt und dass dort das Urheberrecht verletzt wird, nun zu einer Haftung des Linksetzers kommen kann.

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© Knut Schreiber, Stefan Müller-Römer, Alexander Fallenstein, September 2016, Alle Rechte vorbehalten

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