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Filesharing-Entscheidung – Was muss vom Abgemahnten kommen…

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 27.07.2017 (Az. I ZR 68/16) über die Frage entschieden, inwieweit ein abgemahnter Internetanschlussinhaber Nachforschungen zur potentiellen Nutzung seines Internetanschlusses durch Dritte anzustellen hat, um der ihm obliegenden sekundären Darlegungs- und Beweislast zu genügen.

 

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel „O.“, das gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG und § 69a Abs. 3 UrhG urheberrechtlich geschützt ist.

Der Beklagte ist Inhaber eines mit seiner Ehefrau gemeinschaftlich genutzten Internetanschlusses. Über diesen Internetanschluss soll das Computerspiel der Klägerin in einer Tauschbörse zum Herunterladen angeboten worden sein.

 

Die Klägerin sah dadurch ihre Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel verletzt und nahm den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

Der Beklagte hat seine Täterschaft bestritten und angegeben, seine Ehefrau habe den mittels eines WPA2-Schlüssels passwortgeschützten Anschluss ebenfalls täglich benutzt. Auch die Ehefrau bestritt bei Befragung durch den Ehemann, die Rechtsverletzung begangen zu haben.

 

Das Amtsgericht Bochum hatte die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Die gegen das Urteil gerichtete Berufung vor dem Landgericht Bochum blieb erfolglos. Daher legte die Klägerin Revision beim BGH ein.

 

Der BGH wies die Revision der Klägerin jedoch zurück. Die Klägerin habe nicht den Beweis führen können, dass der Beklagte Täter der geltend gemachten Urheberrechtsverletzung sei. Der Vortrag des Beklagten hat der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast genügt.

 

Grundsätzlich trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des von ihr geltend gemachten Anspruchs gegeben sind.

Aber eine tatsächliche Vermutung spricht für die Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine andere Person den Internetanschluss nutzen konnte. Diese tatsächliche Vermutung kommt auch dann in Betracht, wenn es sich um einen Internetanschluss handelt, der regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird, wie beispielsweise ein Familienanschluss.

 

Ist der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert oder wurde er bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen, besteht jedoch eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter.

In diesen Fällen trifft den Anschlussinhaber nur eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt aber gerade nicht zu einer Umkehr der Beweislast oder einer über die prozessuale Wahrheitspflicht hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.

Vielmehr genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast, indem er dazu vorträgt, ob sein Anschluss von anderen Personen genutzt wurde und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständig Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und damit als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Dazu ist er im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet.

Daher ist es nicht ausreichend, wenn der Anschlussinhaber bloß pauschal behauptet, dass andere im Haushalt lebende Dritte theoretisch die Möglichkeit des Zugangs zu seinem Internetanschluss hatten.

 

Zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast hat der Anschlussinhaber also nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht die Gelegenheit hatten, die fragliche Rechtsverletzung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.

Kommt der Inhaber des Internetanschlusses seiner sekundären Darlegungslast entsprechend nach, ist es wieder Sache der Klägerin die anspruchsbegründenden Umstände darzulegen.

 

Der BGH hat in seiner Entscheidung auch noch einmal die Afterlife-Entscheidung (BGH Urteil v. 06.10.2016-Az. I ZR 154/15) bestätigt, wonach es dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses nicht abzuverlangen ist, zur Abwendung seiner täterschaftlichen Haftung die Internetnutzung seines Ehegatten zu dokumentieren.

 

Es genügt also, wenn der Beklagte vorträgt, er habe seine Ehefrau zu der Rechtsverletzung befragt und überdies auch die im Haushalt befindlichen Computer nach dem fraglichen Computerspiel durchsucht, aber das Computerspiel dort nicht gefunden.

Im Hinblick darauf, dass zwischen den Tatzeitpunkten und der Abmahnung ein Zeitraum von fast zwei Monaten lag, war es auch nicht erforderlich, dass der Beklagte näher dazu vorträgt, was seine Ehefrau zu den Tatzeitpunkten getan hat.

 

Mit der Entscheidung des BGH sind die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Inhabers eines Internetanschlusses in einem Filesharing-Prozess nun klar definiert.

Der Inhaber eines Internetanschlusses hat Farbe zu bekennen, wer wann welchen Computer zu welchem Zweck benutzt hat, um einer täterschaftlichen Haftung zu entgehen. Pauschale Behauptungen reichen nicht aus.

Wie detailliert dieser Vortrag im Einzelfall zu sein hat, hängt aber zusätzlich noch von dem zeitlichen Abstand zwischen der Tat und der Abmahnung ab.

 

© Stefan Müller-Römer, September 2017, Alle Rechte vorbehalten

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