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Der Anwaltsschriftsatz: Nur eine mechanische Reproduktion des Rechts oder ein urheberrechtlich geschütztes Werk?

Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich das Hamburgische Oberverwaltungsgericht . Die klagende Partei wirft der Beklagten vor, einen anwaltlichen Schriftsatz unbefugt weitergegeben zu haben. Dadurch seien die Urheberrechte der beiden Verfasser und die ihres Mandanten verletzt worden. Anlass für den schriftlichen Austausch zwischen den beiden Rechtsanwälten und der Beklagten war ein vorheriges gerichtliches Verfahren bezüglich der Werberichtlinien auf Zigarettenpackungen. 

Fraglich ist, ob der anwaltliche Schriftsatz als individuell-schöpferisches Werk bezeichnet werden kann und damit gemäß § 2 UrhG urheberrechtlichen Schutz genießt. 

Zur Urheberrechtsschutzfähigkeit eines Anwaltsschriftsatzes äußerte sich der BGH in seinem Urteil vom 17.04.1986 sehr eindeutig. Es hieß, dass ein anwaltliches Schriftwerk erst dann schutzfähig sei, wenn seine Ausarbeitung „das Alltägliche, Handwerksmäßige, bloße mechanisch-technische Aneinanderreihen von Material deutlich überragt“. 

Die Kläger sehen in ihrem anwaltlichen Schreiben eine persönliche Schöpfung, die sich aus der konkreten Auseinandersetzung mit dem europäischen Tabakproduktrecht und dem deutschen Tabakwerberecht ergebe. Die wenig öffentlich erörterte Thematik erfordere eine besonders hohe Abstraktionsfähigkeit. Auch argumentieren sie, dass die Anordnung der Argumente im Voraus detailreich geplant worden sei. 

Laut der Beklagten genüge das vorliegende Schriftwerk den Anforderungen aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG nicht, da der Aufbau des Textes typisch für ein juristisches Standard-Gutachten sei. Eine originelle oder nennenswert abstrahierende Leistung sei dem Schriftsatz nicht zu entnehmen. 

Das Gericht hat rechtskräftig ausgeurteilt, dass der streitgegenständliche Anwaltsschriftsatz urheberrechtlichem Schutz genieße, da es sich eindeutig um eine individuelle geistige Schöpfung handele. Auch wenn ein juristischer Text aufgrund seiner wissenschaftlichen Natur immer einem bestimmten Schema folge, hätten die Verfasser ihren persönlichen Gestaltungsspielraum genutzt und sich mit der anspruchsvollen Materie individuell auseinandergesetzt. Aufgrund seines schöpferischen Gehalts hätte das Schriftstück nicht unautorisiert durch die Beklagte verbreitet werden dürfen. 

Es zeigt sich also, wie schwierig es sein kann, einen typisch strukturierten anwaltlichen Schriftsatz trennscharf von einem individuellen und kreativen Werk zu unterscheiden. Aus dem vorliegenden Urteil geht allerdings hervor, dass die Ansprüche an die Gestaltungshöhe eines Werks nicht zu hoch anzusetzen sind. Bereits eine individuell gewählte Textgliederung und Gedankenführung indizieren die urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Anwaltsschreibens. 

© Januar 2022, Annika Wurzer, Stefan Müller-Römer, Alle Rechte vorbehalten 

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